Indien 4

Bevor es für uns nach Leh im hohen Himalaja weiterging, machten wir in Manali – genauer genommen im Nachbarort Vashisht – fünf Tage Zwischenstopp. In dem Ort gab es neben viel Landwirtschaft einen Tempel mit leicht schwefelhaltigem Heißwasserbecken. Dort konnten wir uns im separaten Frauen- und Männerbereich duschen und Bäder nehmen. Dies war uns gerade Recht, da die Dusche in unserem überaus günstigen Gästehaus mit der Familie geteilt werden musste. In den Tempelbecken verkehrten indische und ausländische Touristen, Yogis, Hare Krishna Jünger und Anhänger skurrilster Glaubensrichtungen, so dass es immer wieder interessant war vom Beckenrand aus das Geschehen zu beobachten. Den Aufenthalt in Vashisht genossen wir sehr, nichts ahnend von der derart anstrengenden Fahrt nach Leh, die wir noch vor uns hatten. Morgens um 2 Uhr ging es mit einem voll gestopften Jeep zu der abgelegensten Stadt Indiens (9 Passagiere + Fahrer). Während der 22 Stunden ( 475 km) langen holprigen Fahrt auf der zweithöchsten Strasse der Erde mussten wir zwei 5000m hohe Pässe überwinden. Bei dem Zweitem schließlich, waren wir froh die luxuriösen Vordersitze gebucht zu haben, von denen man leicht das Fenster erreichen konnte. Da unser Mittagessen die Bauchhöhle verlassen und die schöne Aussicht genießen wollte…

 

Um 0 Uhr in Leh angekommen erfuhren wir, dass es seit einer Woche kein Strom mehr gab. So checkten wir bei Kerzenlicht ein. Da die erste Bleibe weit unter den Hygienestandard Indiens lag, suchten wir uns ein neues Gästehaus und wurden bei einer netten tibetischen Familie aufgenommen. Schon am ersten Tag merkten wir, dass wir nicht mehr in Indien, sondern in Klein-Tibet (Ladakh) angekommen waren. Die entspannte Atmosphäre in der Stadt und ihre Einwohner gefielen uns auf Anhieb. Hier lernten wir Anna und Kilian aus Deutschland kennen, die uns neben deutscher Literatur auch die Wegbeschreibung für einen 5-Tage-Trek durchs Himalaja hinterließen. Zunächst wollten wir aber den so genannten “Baby-Trek” zur Akklimatisierung nutzen – 3 Tage durch leichtes Gelände. Schon am zweiten Tag verliefen wir uns auf den unmarkierten Wegen und nahmen, unserer Meinung nach, eine Abkürzung über einen unbekannten Berg. Am Gipfel angekommen sahen wir, dass wir natürlich Unrecht hatten und in die falsche Richtung gelaufen waren. Da es für die Rückkehr bereits zu spät war, hielten wir es für eine gute Idee unser Nachtlager auf 4500m aufzuschlagen. Ausgestattet mit einer blauen Regenplane, 4 Meter Schnur und ca. 10 kg gesammelten trockenen Yakmist zum heizen (wie bei Heinrich Harrers "Sieben Jahre in Tibet"), machten wir es uns für die Nacht gemütlich. Nach einer einstündigen Fächerpartie begann der Yakmist endlich zu glühen und wir konnten uns ein bisschen aufwärmen. Jedoch nur so lange bis der Regen einsetzte. Unter unserer Plane fanden wir zum Glück Schutz. Wir waren froh als um 4 Uhr der Regen aussetze und ein wunderschöner Sternenhimmel zum Vorschein kam. Nach der kurzen Nacht machten wir uns auf den Weg unseren “Killer-Trek” zu Ende zu laufen. Zurück in Leh hatten wir das Glück das jährliche Ladakh-Festival mit seinen Umzügen und Konzerten mitzuerleben.

 

Nach drei Tagen machten wir uns dann auf zu dem anspruchsvollen 5 Tage Trek Lamayuru – Chilling. Aus Kostengründen verzichteten wir auf einen ortskundigen Führer, Pferde und einen Koch (40 Euro pro Tag und Person). Mit der Handnotiz der Deutschen und einer lächerlichen Wanderkarte, die nur die Namen der Bergdörfer hergab, marschierten wir los. Gleich zu Beginn lernten wir den Holländer Harry kennen, der mit seinem riesigen 25 kg schweren Rucksack (Eispickel und Steigeisen) unterwegs war und neben dem wir mit unserem jeweils 10 kg Gepäck lächerlich aussahen. Im ersten Dorf angekommen trafen wir einen Professor aus Bayern, der mit den besten Karten und Infos den gleichen Weg wie wir vor sich hatte. Der zweite Tag war für uns ein Sparziergang, da wir das Glück hatten, an einer schwierigen Stelle mit Flussüberquerung (natürlich keine Brücke) einen Einheimischen folgen zu können. In Hinju angekommen tranken wir zwei Kannen Milchtee, entspannten uns bei schönem Himalaja-Panorama und spielten mit den Dorfkindern. Kurz vorm Abendessen traf auch endlich der Karten-Professor ein, der seltsamerweise, laut seiner Karte, keinen Fluss überqueren musste (12 km Umweg). Da für den nächsten Tag ein 5000m hoher Pass anstand, machten wir uns bereits um 7 Uhr auf den Weg. Um 12 Uhr erreichten wir überglücklich, nach einem anspruchsvollen Aufstieg, den Gipfel. Nach ordentlicher Brotzeit zwischen Schneeresten und angenehmen 0 Grad, kam auch der Professor samt Führer und Esel an. Den Abstieg wollte er ohne Führer wagen. Nach drei Stunden kamen wir in Sumdha an und bezogen das einzige Gästezimmer im Dorf. Wir saßen bereits bei Abendessen, als der völlig erschöpfte Professor in der Dunkelheit mit seiner Stirnlampe auftauchte. Er beschwerte sich über die Ungenauigkeit seiner Karten… Wir gingen früh zu Bett, da der nächste Etappe noch anstrengender und nach Meinung des Deutschen nicht an einem Tag zu schaffen sei. Wir liefen um 7.30 Uhr in Sumdha los und erreichten planmäßig, nach mörderischem Aufstieg, den nächsten 5000m Gipfel um 12 Uhr. Nach einer Stunde Regenerationspause inkl. Brotzeit, ging es nur noch bergab ins 4 Stunden entfernte Chilling, das unsere Endstation war. Unsere Gästehausfamilie war gerade ausgeflogen, so dass wir mit dem 70-jährigen Familienoberhaupt allein waren. Unsere Befürchtungen, dass es nicht kochen konnte trafen zum Glück nicht ein. Mit Hilfe der Nachbarin zauberte er uns ein leckeres Gemüserisotto. Am nächsten Tag legten wir einen Ruhetag, mit Baden im Fluss, Dorferkundung (sehr kurz, da nur sieben Häuser) und Beobachtung einer Yakuntersuchung ein. Unser Professor trudelte gegen 18 Uhr ein, nachdem er eine Nacht auf halber Strecke im Zelt verbrachte. Er wollte nicht glauben, dass bereits einen Tag hier waren. Nach einer ruhigen Nacht ging es mit dem Bus zurück nach Leh und zu unserer tibetischen Gastfamilie.

 

Die letzten Tage nutzen wir zum Wäsche waschen und erholten uns bei tibetischem Essen. Die Rückfahrt nach Manali startete wie gewohnt um 2 Uhr in der Nacht, jedoch hatten wir dieses Mal die billigen Plätze ganz hinten gebucht, da wir wieder einmal sparen wollten. Nach einstündiger Fahrt stellte sich heraus, dass wir eine mittelschwere Lebensmittelvergiftung hatten. So machten wir aus dem hinteren Bereich des Jeeps eine Quarantänestation, furzten bestialisch, stießen verfaulten Eiergeruch auf, kotzen in undichte Reissäcke und brachten das ganze Unternehmen des Öfteren zum Stehen, da wir neben den Magenkrämpfen auch noch Sprühschiess hatten. So wussten wir, dass mit den restlichen Insassen keine Freundschaft zu knüpfen war. Seltsamerweise trafen wir drei Stunden früher als geplant in Manali ein, wahrscheinlich wollte der Fahrer das Elend schneller beenden. Mittlerweile sind wir wieder gesund und machen uns auf über Delhi nach Goa, wo wir Ola und Lukasz, ein nettes polnisches Pärchen aus Leh, wieder treffen wollen.