Indien 6

Allepey, unser nächstes geplantes Reiseziel, umfuhren wir großzügig, da dort die gefährliche Krankheit “Chickenguinea” ausgebrochen ist, an der in nur drei Wochen 15.000 Menschen infiziert und 120 Menschen starben. Deswegen fuhren wir ins 150 km entfernte Kumily. Die Stadt gilt als Ausgangspunkt in den benachbarten Periyar Nationalpark, indem Tiger, Elefanten und andere seltene Tiere leben.

 

In einem, von unserem Reiseführer empfohlenem Café, machte uns der Besitzer eine “Spezial-Dschungel-Tour” schmackhaft (5 Tage in den tiefen Dschungel). Als wir uns am zweiten Tag näher informierten, stellten wir fest, dass diese Tour nicht legal sein konnte. Normalerweise werden solche Touren nicht vom Forest Department durchgeführt, da dies zu schwierig ist. Nach kurzen Vorbereitungen starteten wir ohne Cafebesitzer, aber mit einem alten Fischermann als Führer und zwei pubertierenden Jungs als Träger. Gleich zu Beginn merkten wir wozu die komisch aussehenden “Blutegel-Socken” gut sind. Da gerade der Monsun endete wimmelte es von kleinen Blutegeln in dem knöchelhohem Gras. Bereits nach zwei Stunden machten wir die erste Pause, unsere Begleiter machten schnell ein Feuer und bereiteten ein Frühstück zu. Es gab, wie immer in Indien, Reis mit Gemüse. Schon zu diesem Zeitpunkt bemerkten wir den harschen Tonfall ("sei still", "bleib stehen", "geh weiter"…), große Mängel in der Ausstattung (Machete zum Gemüseschnippeln und keine Taschenlampe) und enorme Defizite in den einfachsten Waldkenntnissen (Bäume fällen, um an die in den Baumkronen trockenen Äste zum Feuer machen zu kommen). Das größte Ärgernis war jedoch, dass sich die drei Wegbegleiter ständig in malayalam unterhielten, so dass es von Vornherein unmöglich war, selbst halbtaube Tiere zu sehen. Sobald wir aber unsere neuen Eindrücke austauschen wollten, war dies natürlich viel zu laut, denn das Forrest Department könnte unsere illegale Tour entdecken und wir würden die Tiere verscheuchen. Kurz vor Anbruch der Dunkelheit erreichten wir im Regen unser Nachtlager. Wir freuten uns auf das zuvor angekündigte trockene Zelt. Dies entpuppte sich allerdings als aufgerissene Mülltüte, die über unsere Köpfe gespannt wurde. Nach einem schnellen Gemüsereis, hieß es bereits um 19 Uhr “Good night, sleep now!”. Nach zwei Stunden schliefen wir endlich ein, wurden jedoch kurze Zeit später vom einsetzenden Regen geweckt. Egal wie klein wir uns unter dem Müllbeutel zusammenrollten, es half nichts und wir wurden nass. Am nächsten Morgen trockneten wir unsere Schlafsäcke und Kleider am Feuer und hatten danach auch schon die Strapazen des ersten Tages vergessen. Nach kurzem Gang zur Morgentoilette, stellten wir fest, dass unser Messer, das fünf Minuten zuvor noch in unserem “Zelt” lag, verschwunden war. Um das Frühstück vorzubereiten benötigten die Jungs jedoch dieses Messer, da sie außer einer Machete kein Messer dabei hatten. Nach gemeinsamer Einstündiger ergebnisloser Suche nach dem, aus unserer Sicht geklautem Messer, hatten wir kein Vertrauen mehr in die Fähigkeiten unserer Führer und teilten ihnen mit, dass die Tour beendet ist und sie uns heute noch zurück nach Kumily führen sollten. Nach kurzen Erklärungsversuchen jedoch fand einer der Boys innerhalb weniger Sekunden das Messer unter einem riesigen Stein und erhoffte sich dadurch die Tour zu retten. Nun wussten wir auch, wer der Langfinger unter uns war. Danach wurden wir nur noch als Idioten hingestellt, die nicht auf ihr Messer aufpassen könnten. So waren wir sehr froh als wir um 15 Uhr wieder in Kumily einliefen. Wir machten uns direkt auf, zum Haus des Cafebesitzers und bekamen die Hälfte unseres Geldes zurück sowie eine persönlich geführte Tour als Entschädigung angeboten. Wir sagten zu, wollten uns aber zunächst in unserem Gästehaus einen Tag lang erholen.

 

Die Erholungspause mussten wir jedoch verlängern, da Ursel das Dschungel-Futter nicht vertrug und zwei Tage lang nur auf der Schüssel hing oder saß. Da die verschriebenen Medikamente nicht wirkten und Ursel dehydriert war gingen wir in der Nacht ins benachbarte Krankenhaus. Nach der ärztlichen Diagnose und der Begutachtung der verwendeten original verpackten Präparate waren wir beruhigt und blieben. Vier Litern Infusionen und Antibiotikum peppten Ursel wieder auf und schon am nächsten Abend konnte sie feste Nahrung zu sich nehmen und das Krankenhaus verlassen. Zwei Tage später wollten wir die verschobene Tour nachholen. Morgens um 6 Uhr trafen wir uns mit dem Cafebesitzer, der gleich zu Beginn einen größeren Geldbetrag, als Anzahlung für die Entschädigungstour verlangte. Da wir für die 1,5 Tage der ersten Tour bereits viel Geld bezahlten, dachten wir die “Entschädigungstour” wäre kostenlos, sozusagen als Wiedergutmachung. Wir sagten ihm deutlich unsere Meinung und ließen ihn mit offenen Mund stehen. Danach ging es uns wesentlich besser und hatten nun Zeit, uns eine Teeplantage in der Nähe “for free” anzuschauen. Der nette Eigentümer James fuhr uns großzügigerweise mit seinem Auto in der Umgebung umher. So kamen wir neben der Teefabrik außerdem noch zu einem Aussichtspunkt und einer Kardamomrösterei. Am Abend besuchten wir das aus Kerala stammende “Kathakali” – Tanzdrama. Die aufwendig geschminkten Darsteller gaben außer Geschrei keine Laute von sich. Sie erzählten ihre Geschichten durch Mimik und Fingerzeichen. Da wir wissen wollten wie eine normal geführte Dschungeltour ist, buchten wir über das Forrest Department eine Eintagestour mit Wanderung und Bambusbootsfahrt. Wir waren begeistert: zwei kompetente Ranger führten uns auf Zehenspitzen zu Bisons, Sambars (eine Hirschart), Wildschweinen, Mungos, Riesenaffen sowie zu Elefanten- und Tigerscheiße.

 

Da sich die Situation in Allepey wieder beruhigte, brachen wir am nächsten Tag auf in die Backwaters – ein Gebiet aus Kanälen und Flüsschen. Nach zwei Tagen auf dem Boot hatten wir genug vom Leben in den Backwaters und fuhren mit dem Bus weiter zum Badeort Varkala. In unserem, bis dahin, besten Zimmer verbrachten wir die ersten 72 Stunden mit essen, schlafen, Wäsche (und mittlerweile verschimmelten Rucksäcke) waschen und Karten zocken. Vor der Weiterfahrt nach Chennai sollte dies unsere letzte längere Station in Indien sein und wir beschlossen 10 Tage zu bleiben.

Nach zehn erholsamen Tagen in Varkala, die wir ausschließlich mit faulenzen verbrachten, ging es mit dem Zug nach vier Monaten wieder zurück nach Chennai. Unsere letzte Zugfahrt in Indien wurde leider durch ein Gewimmel von Kakerlaken unter unseren Sitzen getrübt, die sogar so dreist waren nachts über unsere Gesichter zu laufen…

 

In Chennai trafen wir dann unsere alten Reisebekannten Frauke und Eve aus Köln, die in einem Apartment untergebracht waren, wieder. Wir genossen es durch eine richtige Wohnung zu laufen und selbst mal wieder etwas zu kochen, denn in Indien kocht kein Reisender selbst, sondern geht eigentlich immer in eines der spottgünstigen Dhabas (Lokal der Einheimischen). Zusammen fuhren wir zu einer nahe gelegenen Krokodilfarm, um verschiedene Reptilien zu bestaunen. Allerdings an einem ungünstigen Tag, da es den ganzen Tag regnete. Während unserer letzten Tage in Indien entdeckten wir zum ersten Mal einen riesigen Shoppingcenter. Wie kleine Kinder liefen wir an den Schaufenstern vorbei und bestaunten die Auslagen. Viele der Geschäfte waren aber sogar für uns zu teuer. Trotzdem konnten wir mal wieder einige Schnäppchen erzielen. In Chennai buchten wir ein Flugticket nach Bangkok und versuchten zwei Tage heraus zu bekommen, ob wir ohne Visum und Rückreiseticket überhaupt nach Thailand einreisen können. Nach vagen Aussagen von Konsulat und etlichen Visa - Beschaffungsfirmen beschlossen wir das Risiko einzugehen und ohne Visum nach Bangkok zu fliegen.