Indien 9

Anstatt im ruhigen und besinnlichen Sikkim zu landen, kamen wir in der abgasverpesteten und zugebauten Hauptstadt Gangtok an. Wir benötigten zwei Tage, um die Weiterreise zu organisieren, Ausrüstung, wie lange Unterhosen, Mützen etc. zu kaufen und eine Trekkingroute festzulegen und so waren wir heilfroh die Stadt verlassen zu können. Die 5-stündige Fahrt mit dem Jeep zu unserem Trekking-Ausgangsort Geyzing war mal wieder schweißtreibend. Nicht wegen den Temperaturen (es waren nämlich nur 15 Grad), sondern wegen den weggespülten Straßen und tiefen Schluchten, in die manches der Jeep-Räder schon hing. Nun wussten wir auch warum für die Strecke keine Busse, sondern Allradgefährte nötig waren. Nach einer Nacht im Gästehaus ging es dann am nächsten Morgen vom Nachbarstädtchen Pelling zu Fuß weiter. Unsere Tagesetappe betrug 20 km, bergab und vor allem bergauf. So kamen wir am Nachmittag am verschlafenen Kechaperi-See an, der für die Buddhisten heilig ist und mit vielen Gebetsfahnen geschmückt war. Den nächsten Tag verbrachten wir dann in dem kleinen Örtchen am See, liefen zu einem Aussichtspunkt und lernten die beiden Russen Galina und Boris kennen, die am nächsten Tag ebenfalls ins 15 km entfernte Yuksom laufen wollten.

 

So sahen wir uns also am darauffolgenden Tag in dem Ort wieder, der als Ausgangspunkt für den beliebten Goechen-La-Trek gilt. Die Besonderheit an diesem Trek ist die Aussicht auf den dritthöchsten Berg der Erde, den 8585m hohen Kangchenjunga. Als Ausländer benötigt man für diesen 8-Tage-Trek allerdings eine Gruppe, einen Führer, einen Koch, Träger oder Yaks und natürlich noch eine Genehmigung. Inder dagegen können einfach so in den Nationalpark marschieren. Wir fanden das total ungerecht und wollten uns mitten in der Nacht einfach am Checkpoint vorbeimogeln und hofften im Nationalpark selbst nicht mehr kontrolliert zu werden. Als wir dabei waren die Ausrüstung und vor allem den Proviant zusammenzustellen erfuhren wir von einem uns vertrauten Einheimischen, dass schon mancher wegen so einer Aktion im Gefängnis saß. Erst dachten wir er will uns nur von dem Ganzen abhalten, dann erzählten uns dies aber immer mehr Sikkimesen. Da die beiden Russen schon Blut geleckt hatten und mit uns die Aktion starten wollten, beschlossen wir die Mindestanforderungen, um in den Nationalpark zu kommen, nämlich einen Führer und eine Genehmigung über eine Agentur beschaffen zu lassen und dann doch zu starten. Wir mussten allerdings alle Ausrüstungsgegenstände und Essen für ein paar Tage selbst schleppen. Da nach drei Tagen ein Zelt erforderlich ist und wir dies nicht hatten, setzen wir unsere Route nur bis Dzongri fest, im Ganzen dann fünf Tage im Nationalpark. So starteten wir mit den beiden Russen und unserem sympathischem Führer Pentuk zu unserem ersten Nachtlager im 3000m hohen Thoska. Die Tagesetappe war für uns schon recht anstrengend, da der Rucksack vor Proviant fast platzte. Da wir in einer Höhe von 1700m in Yuksom starteten, mussten wir am nächsten Tag in Thoska zum Akklimatisieren bleiben. Das war auch besser so, denn es regnete den ganzen Tag und wir beobachteten die Weitermarschierenden, die schon nach ein paar Metern mit Schlamm verdreckt waren. Und da sich das Wetter am nächsten Tag nicht besserte, hieß es noch einmal einen Tag auszuharren, denn die Wege waren fast unpassierbar. Am Tag 4 ging es dann aber endlich weiter ins 4000m hohe Dzongri, wo wir mit einem Schneesturm begrüßt wurden. Die Russen, die keine Wanderschuhe und keine Regenjacke hatten und zu dem noch mit unserem Tempo nicht mithalten konnten, kamen zwei Stunden nach uns total durchnässt an. In der Trekkerhütte, die natürlich keine Heizung und Betten hatte, legten wir uns auf einfache Matten und rollten uns in unsere Schlafsäcke. Bei 0 Grad im Raum waren wir heilfroh je einen Daunenschlafsack, den wir über unseren normalen Schlafsack zogen und eine lange Unterhose dabei zu haben. Am nächsten Morgen um 4.30 Uhr marschierten wir dann im Stockdunkeln zum 4300m hohen Dzongri-La, wo wir auf den Sonnenaufgang warteten. Galina blieb wegen Höhenkrankheit im Schlafsack und Boris verfehlte im Dunkeln den Gipfel und landete auf dem Nachbarberg. So warteten wir mit Pentuk, einem Japaner und einem Belgier, der bald wegen Höhenkrankheit wieder absteigen musste auf die Sonne. Unsere Füße waren schon Eiszapfen als wir die ersten Umrisse der Berge erkannten. Leider verhinderten einige Wolken eine perfekte Sicht, wir waren aber trotzdem froh hier auf dem Gipfel mit den uns umwehenden tibetischen Gebetsfahnen zu stehen und einige schneebedeckten 7000 und 8000er zu sehen. Der Kangchenjunga ließ sich allerdings nur ein paar Sekunden blicken. Nach dem Abstieg, einem kalten Frühstück aus der Dose und einem kurzem Nickerchen bei 0 Grad, ging es wieder zurück nach Thoska. In dem einzigen Dorf im Nationalpark probierten wir dann am Abend das Einheimischenbier – eine einheimische Getreideart wird dazu in einen Bambusbehälter mit heißem Wasser aufgegossen. Das Ganze wir dann mit eine Bambusstrohhalm getrunken – sehr lecker, vor allem bei der Kälte. Nach unserer letzten Etappe zurück nach Yuksom, waren wir dankbar wieder in einem Bett und wärmeren Umgebung zu nächtigen. Am nächsten Tag ging es dann wieder nach Gangtok. Dort hatten wir einige Sachen im Gästehaus deponiert und wollten diese wieder abholen.

 

Zwei Tage darauf fuhren wir in den Norden nach Singhik, das letzte Örtchen, das man ohne Sondergenehmigung besuchen kann. Das Highlight dort ist ein Aussichtspunkt, bei dem man bei gutem Wetter den Kangchenjunga und ein paar andere spektakuläre Berge sehen kann. Bei unserer Ankunft war der Himmel immer noch wolkenverhangen, als wir aber am nächsten Morgen um 6 Uhr aus dem Fenster schauten kamen wir aus dem Staunen nicht mehr raus. Da war er also, zum greifen nahe und keine Wolke trübte das Panorama. Am nächsten Morgen das gleiche Schauspiel, wir fuhren dann aber wieder zurück, über Gangtok, eine Nacht Zwischenstopp in Namchi und weiter in die Teestadt Darjeeling. Von der hektischen Stadt hatten wir jeden Morgen eine tolle Sicht auf das Himalayapanorama. Neben Sparziergängen durch die Teeberge, eine Besichtigung einer Teefabrik, einer selbstgestalteten Teeprobe besuchten wir auch den Zoo und das Bergsteiger- und Mount-Everest-Museum, das sehr beeindruckend gestaltet war. Eine Fahrt mit dem sogenannten Toy Train (eine Schmalspurbergbahn) klappte allerdings nicht mehr, da in Darjeeling gestreikt wurde und alle Straßen gesperrt waren und nur Apotheken auf hatten. Einige Reisende verpassten deswegen ihren Zug bzw. Flug, da niemand die Stadt verlassen durfte. Grund für den Streik war, dass Darjeeling einen unabhängigen Bundesstaat werden will. Da wir ja von den Restaurants abhängig sind, waren wir erleichtert, als die Gästehausomi uns zum Abendessen einlud. Nach einer erholsamen Woche in Darjeeling ging es wieder über New Jalpaiguri in einer 40 Stunden Zugfahrt nach Chennai, von wo wir aus einem Flug auf die Andamanen gebucht hatten.