Europa 2

 

Im Mai 2010 hatten wir in Deutschland unsere KFZ-Zulassung und Versicherung gekündigt und kurvten die letzten 18 Monate mit einem Duplikat als Nummernschild umher. Kein Problem in Asien, denn wen juckt dort eine deutsche Straßensteuer. Alles ging gut, wir hatten keinen Unfall oder ähnliches. Nun stand die EU vor uns. Eine Lösung musste her. Dass unser Brauner auf den letzten Kilometer uns abgenommen wird, konnten wir auf keinen Fall zulassen. Wir prüften zahlreiche Möglichkeiten, es gab allerdings nur 2: No.1 wir holen uns in Deutschland einen Hänger und bringen den Bus so nach Hause oder No 2. wir versuchen es einfach mit unseren alten Schildern. Der Leser selbst soll seine Fantasie benutzen, wie wir es letztendlich nach Hause geschafft haben. Nur so weit, es war unser letztes Abenteuer, wobei wir bei den zahlreichen Grenzübergängen immer mächtig schwitzten.

 

Nach einer Desinfektion des Autos waren wir im ersten EU-Land Bulgarien. Wir fühlten uns mehr wie in Rußland, nicht wie im geregelten Europa. Kyrillische Schrift, Männer mit Pelzmützen, Holzbabuschkas und allerlei Kommunismus-Souvenirs, wie Gasmasken oder rote Stern-Anstecker. In der Hauptstadt Sofia versuchen wir uns zum ersten Mal an Couchsurfing. Hintergrund dieses Internetportals ist es Reisenden eine Couch zur Verfügung zu stellen, um ihnen zum einen Übernachtungskosten zu sparen und zum anderen einen Einblick in das normale Leben der Einheimischen zu gewähren. Die Adresse, die wir von Bruna & Victor per Email mitgeteilt bekamen, suchten wir stundenlang vergeblich. Sogar mit Hilfe der Polizei konnten wir die Wohnung nicht finden. Nur zu gut, dass wir unser Bett ja immer dabei haben, nur eine warme Dusche vermissten wir doch sehr. Am nächsten Morgen ging es erst mal auf Sightseeingtour durch die Stadt. Sofia ist klein, übersichtlich und hat nur eine handvoll Sehenswürdigkeiten. Besonders viele Kirchen gab es, wobei wir entsetzt die orthodoxen Gläubigen beobachten konnten wie sie ihre Heiligenbilder küssten. Am Abend schafften wir es doch noch uns mit den beiden Couchsurfern zu treffen. Wir ließen uns einfach an einem Einkaufscenter abholen. Endlich gab es wieder eine warme Dusche und ein kaltes Bier.

 

Am nächsten Tag fuhren wir weiter nach Serbien (kein EU-Land). In Belgrad hatten wir wieder einen Couchsurfer gefunden. Marko war ein Spitzen-Gastgeber und hieß uns in seiner modernen Wohnung willkommen. Er hatte außerdem noch viel Zeit uns die Stadt zu zeigen und uns vom Krieg zu berichten. Am letzten Abend entführte er uns noch in ein uriges Lokal, wo wir zu Cevapcici, Bratwürsten und Schnitzel eingeladen wurden. Wir hatten ganz vergessen, wie toll die Wurst in Europa ist. Weiter ging die Fahrt nach Novi Sad, ein kleines Städtchen mit Festung, wo wir einen Tag verbummelten, bevor es weiter zu den Seen von Palic ging. Wir hatten Glück mit dem Wetter, seit Tagen blauer Himmel und Sonnenschein, dazu die wunderschönen Herbstfarben. Wie schön doch Europa ist.

Nach Serbien ging die Fahrt wieder in die EU. Diesmal nach Ungarn. Auf dem Weg nach Budapest macht es am rechten Vorderrad einen Schlag. Die Gummimetalllager am Achsschenkel waren kaputt. Zum Glück hatten wir uns in Istanbul noch mit Ersatzteilen eingedeckt und hatten nun das passende Teil da. In einer Seitenstraße machten wir uns ans Reparieren, allerdings war das alte Teil so angerostet, dass es sich nicht lösen ließ. Wir hämmerten und sägten eine Stunde erfolglos bis zwei Handwerker vor uns standen und uns mit gebrochenem deutsch anmotzten: „wie du probieren schon eine Stunde? Warum du nicht kommen über die Straße, ich helfe!“ Gesagt getan, eine Horde von Bauarbeitern hämmerte in fünf Minuten die Teile raus und die anderen rein und weiter ging die Fahrt. In Budapest erwarteten uns die Couchsurfer Kata & Laszlo in ihrer tollen Altbauwohnung im Stadtzentrum. Immer mehr waren wir begeisterte Couchsurfer. Was für eine tolle Idee, fremden Menschen einen Einblick in dein Leben zu geben. Wir revancierten uns für die Gastfreundschaft mit einem scharfen indischen Essen. Budapest gefiel uns super. Alte Häuser, Paläste, gepflasterte Gässchen und kleine Cafes. Wir blieben leider nur zwei Tage und hätten aber noch ewig hier bleiben können.

 

Weiter ging es also nach Österreich. In Wien fühlen wir uns trotz unserer neuen Klamotten wie zwei Zigeuner. Pullunderträger, Sektglashalter und Königspudelausführer sind einfach nicht unsere Welt. Im Schnelldurchlauf klappern wir die Sehenswürdigkeiten ab und finden uns am Abend nach langer Abstinenz bei Aldi an der Kasse wieder. Lecker, billig, gut und garantiert kein Durchfall. Nach einer Nacht an einem Rasthof schauen wir noch schnell im Städtchen Graz vorbei. Unser Hauptbeschäftigung dort ist Leute beobachten. Wir platzieren uns auf einer Parkbank in der Fußgängerzone und betrachten mit Abstand die Mitteleuropäer. Das sind also wir. Gepflegt, gebildet und scheu. Keiner schaut nach dem anderen, jeder kann halbwegs machen was er will. Auch nicht schlecht, dieses Lebenskonzept. Am Abend werden wir bei Kerstin & Rudi, unsere beiden längsten Reisegefährten, erwartet. Die beiden sind seit einer Woche wieder zu Hause in Kärnten und hielten ihr monatelanges Versprechen uns Senfgurken aufzutischen. Es gab eine zünftige Jause mit literweise Villacher Märzen. Bei ihnen in der Wohnung lebten wir uns schon langsam wieder in den europäischen Alltag ein. Wir schauten Fern: Lindenstraße, Weltspiegel, Tagesschau und Tatort: 3:05 Stunden pures Glück. Nach einigen Tagen waren wir genug gemästet und fuhren über die Grenze nach Deutschland. Bei Bad Reichenhall versteckten wir uns für die Nacht am Waldrand, um dann am nächsten Morgen sogleich die KFZ-Zulassungsstelle aufzusuchen und ein Kurzzeitkennzeichen zu besorgen. Gleich darauf fuhren wir unseren Braunen beim Zoll vor, um einen EU-Stempel in unser Carnet zu bekommen. Weiter ging danach die Fahrt nach München, um unser Carnet zurückzugeben.

 

Unsere fünf letzten Reisetage durch Deutschland wollten wir genießen. Nur wenige Kilometer am Tag fahren, Freunde besuchen und uns langsam wieder an heimatliches Essen und die zahlreichen Biersorten gewöhnen. Unser Etappenplan sah wie folgt aus:

- München: Hannes (Reisegefährte aus Nepal): Schnitzel und Bratkartoffeln

- Ludwigsburg: Doro (Trauzeugin von Ursel): Lasange

- Kraichtal: Fabian (Reisefreund mit Overlanderfahrung): Sauerkraut, Bratwurst & Kartoffelbrei

 

Am 13.11.2011 hieß es von unserem Reiseleben Abschied nehmen. Nach 582 Reisetagen und 12 Platten fuhren wir gerührt nach Römerberg ein. Dort bereiteten uns unsere Familien einen wunderschönen Empfang. Auch wenn wir uns in Asien heimisch fühlten, kommen wir immer gerne wieder zurück nach Hause.

 

Kleine Europa-Statistik:

Reisetage: 22 Reisetage (davon 0 bezahlte Schlafplätze)

Gefahrene Kilometer:  2630 km

Ausgaben:  15,50 € pro Person & Tag

Unfälle: keine

Krankheiten: Durchfall (bei beiden)

Busprobleme: Gummimetalllager defekt – ausgetauscht; Stoßdämpferabdeckung verloren – neue gebastelt;

Highlights: Käse, Wurst, Bier, Brot...