Türkei 4

Mit unseren 248 Litern geschmuggelten Diesel waren wir hoffnungslos überladen und quälten uns im ersten Gang durch die zerklüfte Bergwelt entlang der irakischen Grenze. Bergauf, bergab, immer wieder durch einen der zahlreichen militärischen Checkpoints gestoppt, hinweg durch kleine ursprüngliche Dörfer. Das Kurdengebiet war für uns einer der interessantesten Teile der Türkei. Hier fahren noch halbzerfallene Rostlauben durch die Gegend, das Sofa steht nicht im Wohnzimmer, sondern auf der Straße und die Einheimischen präsentieren muslimische Gastfreundschaft und winken einem eifrig zu. Unser deutsches Kennzeichen ist gern gesehen und ehemalige Gastarbeiter freuen sich mal wieder ihre Deutschkenntnisse einzusetzen: „Du kommen für Picknick in mein Land?“ „Ich gearbeitet viele Jahre in Dortmund.“ „Mein Bruder Dönerbude in Bottrop.“

Als unser Bus nicht anspringen will kommt sogleich ein Kurde auf uns zu: „Auto Probleme? Lasse mich mache, ich Mechaniker.“ Nachdem das Auto wieder rollt: „na, habe doch gesagt, ich helfe gern.“

 

Unsere erste touristische Station ist Hassankeyf. Ein kleines Örtchen mit einem Canyon, einer alten Festung und Höhlenbehausungen. Unseren Besichtigungszeitpunkt hätten wir nicht unpassender wählen können: Ende des Ramadans und Nationalfeiertag zugleich. Die Gassen sind voll mit essenden und feiernden Kurden. Mädchen beschenken uns mit Süßigkeiten. Hassankeyf ist ein wirkliches Highlight im Südosten. Fragt sich nur wie lange noch, denn die türkische Regierung hat Pläne für einen Staudamm, wobei der Ort und seine Umgebung gefluchtet werden soll. Wir hoffen, dass Kultur- und Umweltschützer sich durchsetzten können und diese einzigartige Gegend nicht untergeht.

Nach zwei Tagen geht die Fahrt weiter über Urfa und Adana Richtung Mittelmeer. In Mersin der erste Schock: selbstbewusste Frauen in Minirock und Trägertop, eine Aneinanderreihung von Megasupermärkte und wir fahren das mit Abstand älteste Auto. Vom Meer sehen wir nicht viel. Eine Betonburg reiht sich an die nächste. Pauschaltourismus soweit das Auge reicht. Mit Mühe finden wir hier Stellplätze zum wild campieren. Wir fühlen uns wie im falschen Film und rasen weiter, an Antalya vorbei, nach Cirali, das wir bereits aus dem letzten Jahr kennen. Dort können wir endlich wieder entspannt am Strand stehen und uns von unserem Kulturschock erholen.

Ganz unverhofft stoßen die beiden Österreicher Kerstin & Rudi zu uns, die wir erst wieder in Europa gedachten zu sehen. Die Wiedersehensfreude ist groß und schnell werden die Ereignisse der letzten Wochen ausgetauscht. Der Strand von Cirali ist bekannt für seine Schildkröten, die zu dieser Jahreszeit schlüpfen sollten. Bei unseren nächtlichen Gängen am Strand entdecken wir jedoch keine. Im Meer allerdings sehen Rudi und Janus beim schnorcheln eine sogenannte Caretta Caretta, die allerdings scheu und schnell verschwunden ist.

 

Nach über einer Woche relaxen geht für uns die Fahrt zurück an den Flughafen von Antalya. Steffi & Christoph aus Mannheim kommen als unsere letzten Heimatbesucher an. Im Gepäck dabei: langersehnte Dosenwurst, deutsche Bücher und zur Abwechslung mal ein Souvenir für uns. Die beiden haben uns ein SPEYER IST SPITZE T-Shirt mitgebracht. Stolz werden wir dieses Shirt noch durch Europa fahren dürfen. Die ersten Tage verbringen wir in Cirali, wo wir unsere gemeinsame Zeit planen. Als erstes begeben wir uns auf den lykischen Wanderweg. Was für eine irrsinnige Idee bei 40 Grad wandern zu gehen. Am Tag eins wandern wir nach Tekirova, voll bepackt mit Zelt, Essen etc. Bereits am Mittag ist unser Wasservorrat leer und wir träumen von einem Fass. Nach der Mittagspause entdecken wir eine Wasserquelle. Ein Traum wird wahr: wie ausgetrocknete Kamele hängen wir uns an den Hahn, trinken bis wir einen Wasserbauch haben, bespitzen uns mit dem köstlichen Nass und füllen unsere Flaschen auf. In Tekiroa trifft uns der Schlag. Wir sind mitten in einem russischen Ferienort gelandet, weit und breit kein Platz zum wild zelten. Eine Aneinanderreihung glücklicher Umstände verhilft, dass uns ein Taxifahrer in ein türkisches Restaurant bringt und die Bedienung uns dort ein billiges Hotelzimmer organisiert. Am nächsten Morgen geht es frisch gestärkt weiter. Immer entlang der Küste, mit ausreichend Möglichkeiten zum baden. Unser nächster Schlafplatz sollte ein einsamer Strand sein. Nicht jedoch am letzten Ferienwochenende in der Türkei. Überall wird gegrillt, die Musik aufgedreht und der Müll liegen gelassen. Wir stellen immer wieder fest, dass die Türken es gern kuschelig haben. Eine Picknickdecke grenzt an die nächste und auch bei Touristen wir keine Distanz gehalten. Das hatten wir uns anderes vorgestellt und wir brechen das wandern ab. Per Anhalter und Minibus geht es zurück nach Cirali, wo wir uns zwei weitere Tage erholen.

 

Weiter geht die Fahrt über die Nikolaus-Stadt Myra, wo wir eine kleine Besichtigungspause der dortigen Gräber einlegen, nach Kas. Auf der Halbinsel campieren wir bei einem kleinen Strand. Beim abendlichen Sprung ins Meer entdecken wir eine zahme Schildkröte, die sich nicht durch uns vier stören lässt und uns die Möglichkeit gibt über eine halbe Stunde mit ihr zu tauchen. Ein Grund am Abend anzustoßen, so ein Erlebnis muss einfach gefeiert werden.

Am Morgen brennt die Sonne runter, wir flüchten von Kas zum nächsten und wohl schönsten Strand der Türkei, Kaputas. Da es dort keine Möglichkeit zum campieren gibt fahren wir am Nachmittag weiter zum Örtchen Patara, der durch seinen 20 km langen Strand bekannt ist. Durch Zufall finden wir die Zufahrtsstraße zu den Dünen, denken zunächst den ultimativen Schlafplatz gefunden zu haben, bis uns eine Wespen- und Moskitoplage eines Besseren belehrt. Am Morgen flüchten wir auch dort mit zahlreichen Bissen und landen in der Saklikent-Schlucht. Zu Beginn sind wir von den dortigen Touristenhorden geschockt und marschieren mit Skepsis in den Canyon. Bereits nach einigen Hundert Meter sind die Massen von dannen und wir hatten diese unglaubliche Landschaft für uns. Die Nacht verbringen wir auf dem Parkplatz der Schlucht und erleben unseren ersten Regen seit Pakistan.     

Unsere nächste Station lautet Fethiye. Da wir noch ein wenig Geld von unserer Hochzeit übrig hatten beschließen wir das Geld bei einer Blauen Reise auf den Kopf zu hauen. Bereits in der ersten Agentur sind wir an der richtigen Stelle und buchen eine vier Tages-Tour.

 

Die Mavi Boncuk erweist sich als das schönste Segelboot in der Gegend. Wir hatten bereits mit spatanischen Zimmer und rationierten Wasservorräten gerechnet als wir eine gemütliche Kabine mit eigenem Bad bekommen. Mit uns an Bord sind eine italienische Familie, vier deutsche Freunde und ein Paar aus Frankfurt. Wir verstehen uns auf Anhieb und fühlen uns wie in einem Ferienlager, bei dem man innerhalb weniger Tage Freundschaften schließt und am Ende traurig ist, wenn man sich trennt. Die vier Tage auf dem Boot sind das Entspannenste was wir bisher in der Türkei erlebt haben. Rundum werden wir vorzüglich verköstigt, legten genügend Pausen zum baden und schnorcheln ein und bekommen in Kas und Kaleköy die Möglichkeit an Land zu gehen und die Städtchen zu besichtigen. Tagsüber üben wir uns im gemeinsamen Arschbombenspringen und am Abend wird getrunken und gelacht. Auch hier sehen wir wieder Schildkröten und das leuchtende Plankton der Nacht. Dazu muss man (am besten bei Neumond) ins dunkle Wasser springen und mit den Armen und Beinen wedeln. Das im Wasser vorhandene Plankton leuchtet durch die Bewegung. Nach vier Tagen trennen sich unsere Wege und wir fahren mit Steffi & Christoph zurück nach Fethiye. Die letzten beiden Tage wollen wir oberhalb der Schmetterlingsbucht verbringen. Während die beiden sich ein Bungalow leisten dürfen wir für umsonst campieren und Pool sowie Internet mitbenutzen. Die Wanderung runter in die Bucht ist nichts für Unsportliche und Flip-Flop-Träger. Einige Abschnitte sind so steil, dass Seile am Fels befestigt sind, die das Ab- oder Aufsteigen erst ermöglichen. Die Bucht ist wunderschön und die Kletterei lohnt sich auf alle Fälle.

 

Am nächsten Morgen packen wir eine Tasche mit Souvenirs, die Steffi & Christoph mit nach Hause nehmen. Am Flughafen lassen uns Sicherheitskräfte nicht allzu lang verabschieden und das Abschiedsbier muss schnell getrunken werden. Viel zu schnell gingen 19 gemeinsame Tage vorbei. Unser Wiedersehen dauert allerdings nicht mehr allzu lange.