2: Georgien

Georgien begrüßt uns mit monsunartigen Regenfällen, sodass wir einige Kilometer nach der Grenze gezwungen sind aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse am Schwarzen Meer anzuhalten. Wir wollen einfach so lange hier bleiben, bis sich das Wetter bessert. Zwei Tage später kommt dann endlich die Sonne raus. Was für eine Wohltat. Die Stimmung besserte sich sofort bei uns. Jedoch nur kurz. Denn wir haben einen Kurzschluss am Solarregler, sodass unsere Energieversorgung plötzlich weg ist. Janus kommt nach kurzem Tüfteln schnell zum Schluss, dass wir ein Lötkolben brauchen. Just in diesem Moment bemerkten wir einen VW-Bus mit einer jungen Familie, der 200 m neben uns parkt. Durch das Fernglas entdeckten wir, dass es sich um Schweden handeln muss. Also schnell mal rüber und nachfragen, ob sie ein Lötkolben dabei haben. Die russisch-iranische Familie aus Schweden kann uns leider nicht weiterhelfen, bringt uns aber zu einem 5 km entfernten Campingplatz „wo ein Deutscher mit riesigem Auto und ganz vielen Werkzeugen“ steht. Also gut, schnell zusammen packen und ab zum Campingplatz. Aber dort haben Atta & Tim, die seit fünf Wochen bereits hier mit ihrem Hanomag stehen und auf ein Ersatzteil aus Deutschland warten, leider auch keinen Lötkolben. Dafür unterhalten wir uns alle sehr nett und schwups waren auch schon zwei Stunden vorbei. Dann müssen wir aber wirklich weiter, denn unser Essen im Kühlschrank braucht ja mal wieder Strom.

 

Im nächsten Örtchen macht Janus sich auf, um das Problem zu lösen. In Georgien spricht man neben georgisch vor allem russisch und da einige Wörter ähnlich mit dem polnischen sind, schlägt sich Janus mit polnisch durch. In einem Handyreparaturgeschäft wird der Regler schnell von einem älteren Herrn gelötet. Als es ans Bezahlen geht winkt der nette Mann nur ab. Spasiba!

Nach einer weiteren Nacht am Schwarzen Meer geht es über die Kleinstadt Zugdidi weiter Richtung Norden in den Großen Kaukasus. Die Straße nach Mestia führt uns auf kurvenreicher Straße durch wunderschöne Landschaft.

 

Immer wieder durchfahren wir kleine Dörfer mit zum Teil sehr verfallenen Häusern. Da denkt man noch, dass das Haus bestimmt nicht mehr bewohnt ist und entdeckt plötzlich aufsteigenden Rauch aus einem Kamin und eine Frau hängt gerade die Wäsche im Garten auf.

Die Straße teilen sich Schweine, Kühe, Hühner und Autos, die oft keine Stoßstange haben oder in einem erbärmlichen Zustand sind. Auch wenn die Georgier sehr arm sind, haben sie ihre Freundlichkeit behalten. Ein grimmiger Gesichtsausdruck erhellt sich sogleich, wenn wir sie grüßen oder winken. Eine Omi zwickte Ursel liebevoll in die Backe, als sie merkt dass sie nichts versteht und junge Frauen fordern sie nach ein paar gewechselten Wörtern auf englisch zum Abklatschen auf. Der Kontakt zu den Einheimischen ist hier sehr unkompliziert und authentisch.

 

Einen kurzen Zwischenstopp legen wir am Enguri Staudamm ein. Dem größten Bauwerk im Kaukasus, der 1988 nach 20-jähriger Bauzeit eingeweiht wurde. Wirklich sehenswert und beeindruckend. Eine Stunde schlendern wir mutterseelenallein auf dem Gelände umher.

In Mestia angekommen fahren wir sofort weiter Richtung Chalaadi Gletscher, den wir durch eine kleine Abendwanderung in der Dämmerung erreichen. Da es bereits so dunkel ist, beschliessen wir am nächsten Morgen noch einmal die kleine Wanderung zu unternehmen. Der Gletscher ist zwar klein, aber nicht weniger schön als andere Gletscher, die wir bereits gesehen haben.

 

Zurück im Örtchen nehmen wir zum ersten Mal Camping in Anspruch und nächtigen im Garten eines Gästehauses. Wir genießen eine heiße Dusche mit viel Wasser und waschen unsere Klamotten. Der Vorteil mal zu Campen ist, dass man seine Kleider auf der Wäscheleine hängen lassen kann, ohne Angst zu haben, nach einem kleinen Spaziergang nichts mehr vorzufinden. Am Abend kehren wir dann zum ersten Mal zu georgischen Essen ein. Neben mit Fleisch gefüllte Maultaschen als Vorspeise, gibt es im Anschluss noch Fladenbrot (gefüllt mit Rindfleisch), Bohneneintopf sowie Rindfleisch mit Tomatensoße. Alles sehr fleischlastig, aber super lecker! Und auch das frisch gezapfte Bier ging gut runter. 

Am darauffolgenden Tag trauen wir uns dann zum ersten Mal ans Abenteuer „offroad“. Die 46 km ins auf 2200 m hoch gelegene Ushguli (laut unserem Reiseführer das höchstgelegene Dorf in Europa das dauerhaft bewohnt ist – also eigentlich dachten wir Europa schon längst hinter uns gelassen zu haben) legen wir in 3 Stunden zurück. Es geht über Holperpisten, Schlammpassagen und kleine Flüsschen. An einer eigentlich einspurigen Straße kommt uns ein kleiner Allradbus entgegen, der sich wagemutig an uns vorbei drücken will. Die Stelle ist für zwei Autos jedoch viel zu eng, sodass der Bus so nahe an den Rand fahren muss, dass wir auf der einen Seite Angst hatten, dass er in uns reinkippt (2 cm fehlten noch) und auf der anderen Seite, dass er in die Schlucht stürzt (wir hörten bereits die Schreie aus dem Bus!!!). Janus fährt hochkonzentriert ganz langsam einige Meter zurück bis genug Platz für uns beide ist. Puh... 

 

In Ushgulli angekommen suchen wir uns einen Schlafplatz mit Aussicht. An einem alten Wehrturm steht ein Pickup der Polizei. Wir fragen uns gerade wie er denn da hoch gekommen ist, als er sich in Gang setzt und den steilen Abhang runter fährt. Nun wollen wir mal sehen, was unser Iveco denn so alles kann. Und tatsächlich packt Silvester es, den für unsere Augen sehr, sehr steilen Hügel hochzukrakseln.

 

Das Dörfchen mit seinen 250 Einwohner gefällt uns super. Wir können uns kaum satt sehen an dem wunderschönen Panorama. Windschiefe Häuser, zum Teil mit Schieferdächern, alten Wehrtürmen aus dem 8. und 12. Jahrhundert und dahinter die wunderschönen saftig grünen Wiesen und schneebedeckte Berge. 

Leider müssen wir am nächsten Tag wieder aufbrechen, um unter trockenen Wetterbedingungen eine anspruchsvolle offroad Strecke zu bestehen. Der Weg ins 76 km entfernte Lentechi hat es nämlich in sich. Zunächst geht es über einen 2650 m hohen Pass, weiter über Geröll, dann über Felsen, Furchen etc. Höchstgeschwindigkeit 10 km/h. Nach 20 km kommt uns ein Motorradfahrer auf seiner Enduro entgegen. Er ist fix und fertig von der Strecke und will nur noch in Ushgulli ankommen. Deswegen geht es nach kurzem small talk wieder weiter. Nach 8 Stunden und 65 gefahrenen Kilometern kommen wieder auf eine normale Straße und suchen uns einen Schlafplatz auf einer Wiese. Total geschafft von der Konzentration und Anspannung legen wir uns nach einer Dusche und einem Berg Spaghetti früh ins Bett und hören bereits die ersten Regentropfen auf das Dach prasseln. Gut, dass wir nicht im Regen die Etappe fahren mussten.

Am nächsten Tag fahren wir ins Städtchen Kutaisi. Ein erneuter Regentag, den wir in einem netten Cafe mit Wifi und auf einen tollen überdachten Markt verbringen. Die Leute auf dem Markt haben keine Scheu sich fotografieren zu lassen und sind sich einig: Germania and Georgia are friends! Ja so sehen wir das auch. 

Georgien ist ein von der Religion geprägtes Land. Zahlreiche Klöster der orthodoxen Kirche sind über das Land verteilt. So besichtigen wir die Klöster Motsameta und Gelati in der Nähe von Kutaisi. Skurill finden wir folgende Vorgehensweise, die in unserem Reiseführer beschrieben wird: „Gläubige die einen Wunsch erfüllt haben möchten, kriechen unter dem Seitenaltar auf allen Vieren hindurch, steigen dann einige Treppen zum Altar hoch und küssen je zweimal die unter Glas aufbewahrten Schädel der beiden Heiligen. Das Ganze muss dreimal hintereinander geschehen.“ 

Am Abend nächtigen wir auf einem vom Regen durchweichten Fußballplatz. Eigentlich wollen wir am Abend nicht kochen, bemerken dann jedoch die zahlreichen Weinbergschnecken um uns herum. Es wimmelt gerade so von ihnen. Also entschliessen wir uns kurzerhand, dass es heute eine französische Delikatesse geben soll. Während dem Essen vernichten wir vorsorglich schon mal ein paar Vodka, um eine innere Desinfektion durchzuführen. Der muss ja sowieso weg bevor es bald in den alkoholfreien Iran geht.

 

Vor einiger Zeit haben wir auf ARTE eine Reportage über ein sehr verfallenes Städtchen in Georgien mit viel russischem Flair und alten wackeligen Seilbahnen gesehen. Dort wollten wir hin und uns selbst wagemutig in eine Kabine begeben. Das Nieselwetter und die tief hängenden Wolken geben ihr übriges zu dieser Tristesse. Die Benutzung der Seilbahn ist kostenlos und tatsächlich erkennen wir, oben angekommen, die Frau aus dem Schalthäuschen vom Fernsehen wieder. Die Stadt hat neben den Seilbahnen und einem kleinen Markt nichts für uns zu bieten, daher verlassen wir das graue Städtchen schneller als gedacht. 

Auf der Fahrt zu der Höhlenstadt mit dem unaussprechlichen Namen Uplisziche sehen wir einen Golf 3 mit einem winkenden Georgier am Straßenrand. Selbstverständlich halten wir an und sehen nach was passiert ist. Der völlig betrunkene Georgier muss wohl von der Straße abgekommen sein. Die noch vorhandene Stoßstange hängt schief nach unten, ein Scheinwerfer liegt im Graben und das rechte Vorderrad ist platt und total verzogen. Da er keinen Wagenheber dabei hat, helfen wir aus. Der Gute ist so besoffen, dass er nicht mal die Schrauben auf bekommt und Janus wechselt ihm schnell das Rad. Nach einem Küsschen und etwas Genuscheltem, das wohl Spasiba heißen soll, fährt er mit Vollgas davon. 20 km später sehen wir ihn wieder, wie er erst beinahe von der Straße abkommt und dann in ein entgegenkommendes Auto rast. Zum Glück hält er wenig später im Dorf an. Wohlgemerkt: in Georgien gibt es die 0,0 Promille-Grenze und es war unser erster Betrunkener den wir gesehen haben.

Die Höhlenstadt sollte zwar mit ihrem Alter von 3500 Jahren allein schon spektakulär sein, wir finden sie jedoch nur ganz nett und fahren daher weiter Richtung Tiflis.

In der Hauptstadt wollen wir neben Sightseeing auch unseren Motor abchecken lassen. Janus meint ein Stottern zu hören. In einer professionellen und sauberen Werkstatt hört der Chefmechaniker mit seinem Stetoskop genau hin und verkündet dann: alles gut, Problem ist nur der schlechte Diesel aus Georgien! Puh, da fällt uns aber ein Stein vom Herzen. Wir decken uns noch mit einigen Ersatzteilen ein und stürzen uns dann ins Gewimmel von Tiflis. Am darauffolgenden Tag verlassen wir Georgien in Richtung Armenien.