4: Iran (1)

03.11.2017

 

Der Iran ist ein Stück vom Himmel – mit den Regeln der Hölle. So beschreibt ein junger Iraner treffend die Situation im Iran. Seit unserem letzten Besuch sind sechs Jahre vergangen und für uns verhielt es sich mit dem Iran so, wie mit einem guten Buch. Erst wenn man es mehrmals gelesen oder gesehen hat, sieht man die Feinheiten und vielleicht auch die Wahrheiten.

 

Wir reisen sehr entspannt in die muslimische Republik Iran ein. Zum ersten Mal benötigen wir den Pass für Silvester – das Zolldokument Carnet de Passage. Problemlos wird es abgestempelt und nach 1,5 Stunden rollen wir vom Grenzgelände. Unser Bier und ein bisschen Schnaps wird ohne Kontrolle des Autos still & heimlich mit rein geschmuggelt. Ab sofort gilt für uns, besonders aber für Ursel die muslimische Kleiderordnung. Lange Hose, lange Ärmel, langes Hemd, das den Hintern bedeckt und das bereits nach zwei Sekunden lästige Kopftuch. Na wenigstens sind es nicht mehr 45 Grad wie beim letzten Mal, sondern angenehme Spätsommertemperaturen. Nur im Bus hinter zugezogenen Vorhängen und bei Iranern zu Hause (wo übrigens auch alle Fenster blickdichte Vorhänge haben) kann es abgenommen werden.

 

Unsere erste Station führt uns in die Stadt Tabriz. Dort müssen wir erst einmal an Geld kommen. Im Iran gibt es zwar Geldautomaten, jedoch funktionieren diese wegen des immer noch währenden Wirtschaftsembargos nicht für Visa- oder Mastercard. Wir tauschen daher einen Teil unserer mitgebrachten Euros und sind danach Millionäre. 1 Euro sind umgerechnet ca. 50.000 Rial. Die Iraner benutzen jedoch kaum die Bezeichnung Rial, sondern Toman und 50.000 Rial sind dann 5.000 Toman. Bei den ganzen Nullen kann einem schon ganz schwindelig werden. Zu Beginn unseres Iranaufenthaltes kommt es bei uns öfters zu peinlichen Verwechslungen. So zahlen wir beispielsweise im Internetcafe nicht die geforderten 40 Cent, sondern nur 4 Cent und verstehen gar nicht warum der Internetbetreiber so komisch guckt... Die Verständigung ist sehr schwierig. Viele können nur wenige Wörter englisch und so beginnen wir die ersten Wörter auf Farsi zu lernen, um mitzuteilen woher wir kommen, wie wir heißen, dass wir mit dem Auto da sind und darin schlafen und vor allem, dass wir gar kein Farsi verstehen. Bei den Iranern verhält es sich nämlich, wie bei allen Nationen: sagt man ein Wort in ihrer Sprache, denken sie man verstehe sie und plappern drauf los. 

 

Nach einem langen Tag in Tabriz fahren wir zum nächtigen raus aus der Stadt. Auf einem Acker finden wir ein nettes Plätzchen und bald ist auch der Besitzer mit einem weiteren Mann da. Er lädt uns ein bei ihm zu übernachten. Wir lehnen dankend ab, da er kein englisch spricht und uns dies dann zu anstrengend wird. Er braust auf seinem Moped ab und wir legen uns bald darauf schlafen. Um kurz vor 12 in der Nacht hören wir ein Moped und zwei Männerstimmen. Wer wird das wohl sein? Janus öffnet nach 10 Minuten verschlafen das Fenster. Der Besitzer ist nochmal gekommen und reicht uns eine Tüte mit Trauben rein. Ohne Gastgeschenk geht es im Iran nicht. Gibt uns aber dann zu verstehen, dass es schon spät ist und warum wir noch wach sind. Jetzt aber schlafen.

 

Iran ist das gastfreundlichste Land, das wir bisher kennen gelernt haben. Am Tag werden wir gefühlte hundertmal angesprochen. Sie wollen einfach nur Hallo sagen, die Hand reichen, uns zu einem Tee einladen und ein „Welcome to Iran- nice that you are here“ sagen. Dies zieht sich durch alle Alters- und soziale Schichten. Sie wollen ein Foto mit Dir haben, lassen sich auch selbst gerne fotografieren und manchmal wird man sogar umarmt. Hier soll man in die Tüte mit den Nüssen greifen, da die Bananen nehmen. Einfach wunderbar!

 

Unsere Route führt uns dieses Mal in das iranische Kurdistan. Während uns die iranischen Männer als westlich Gekleidete in Erinnerung geblieben sind, denken wir bei den Kurden eher an Ali Baba und seine 40 Räuber. Zwischen die riesigen Pluderhosen und das enge Hemd wir ein Tuch um den Bauch gebunden und oft dazu noch ein kleiner Turban mit Franzeln um den Kopf geschwungen. Nicht nur die Älteren, auch die Jüngeren bevorzugen diesen Kleiderstil. Die Frauen dagegen verzichten oft auf den schwarzen Chador und tragen ein buntes Kopftuch. Sehr angenehm für uns. In die Region scheinen sich nicht so oft Touristen zu verirren und wir genießen auf dem Basar in der Stadt Sanandaj die bunten Hunde zu sein.

 

Im Vergleich zu unserem letzten Besuch fällt uns die Armut auf. Wir sind im ländlichen Gebiet unterwegs und die Menschen wohnen in einfachen Lehmhäusern, bei denen immer irgendwas abgebröckelt ist. Viele sind Bauern oder Schafhirten und scheinen von der Hand in den Mund zu leben. Wir freuen uns so viel Landwirtschaft zu sehen, denn unsere letzte Iranerfahrung war ziemlich gemüsefrei. Im Restaurant wird oft nur das Standardgericht bestehend aus Reis, gegrilltem Fleisch und eine Tomate serviert. Da denkt man schnell, das es im Wüstenstaat nichts Frisches gibt. Zum Glück werden wir diesmal eines besseren belehrt und kaufen bergeweise frisches Grünzeugs.

  

Außerdem fallen uns dieses mal die vielen Plastiktüten auf den Feldern und der Müll auf den Straßen auf. Wir beobachten die Einheimischen, wie sie achtlos ihren Müll aus dem Auto werfen. Zu Beginn schrecklich für unser deutsches Müllsammel- und Trennherz. Aber wir gewöhnen uns langsam an diesen Anblick. Und wissen, dass es in den kommenden Ländern so weiter gehen wird. Naja, wir sammeln nach wie vor immer schön unseren Müll und entsorgen ihn in der Stadt.  

 

Nach einer Woche erreichen wir die Stadt Kermanshah und machen es uns dort im Park gemütlich. Die Iraner sind nach wie vor die Weltmeister im Camping und lieben es eine Nacht im Grünen zu verbringen. Es wird gepicknickt, gequatscht, Tee getrunken und wenn es Nacht wird ziehen sie sich in ihr aufgestelltes Zelt zurück, was übrigens in Farsi Chador heißt. Im Iran gibt es nur eine Zeltmodell und so hat jeder das Gleiche. Nur die Farben variieren. Es gibt keine Isomatten und es wird sich mit normalen Decken zugedeckt. Ziemlich tapfer bei den nächtlichen Temperaturen von 12 Grad.

 

Die Parks im Iran werden immer sehr gepflegt und verfügen über zumeist tadellos saubere Toilettenhäuser. Diese werden von uns, neben der Klobenutzung immer sehr gern zum Geschirr spülen, Wäsche waschen und sogar zum duschen genutzt. Die iranische Hocktoilette verfügt nämlich über einen Wasserhahn, der für die klopapierfreie Reinigung nach einem großen Geschäft benutzt wird. Wir spazieren dann immer hoch erfreut mit Becher in die Kabine und genießen 1 m² Privatsphäre und viel Wasser. 

 

In Kermanshah genießen wir das kostenlose Campingplatzfeeling, besuchen das Felsrelief Taq-e-Bostan und ahnen nicht was zur gleichen Zeit unseren Reisefreunden in 10 km Entfernung gerade passiert. (www.climbeast.blogspot.de) Eines Nachts klopft es auch an unseren Bus. Es ist 3 Uhr in der Nacht und die in zivil gekleideten Polizisten mit normalen PKW wollen uns verjagen. Sind das echte Polizisten? Wir beharren darauf stehen zu bleiben und die letzten Stunden der Nacht auf unser Risiko hier zu bleiben. Sie willigen ein und geben uns zu verstehen, dass sie in einiger Entfernung auf uns aufpassen werden. Es muss wohl der Geheimdienst gewesen sein, denn die uniformierten Kollegen waren bereits um 22 Uhr da und sind nach einer Umrundung unseres Autos wieder davon gefahren.  

 

 

Unser Weg führt uns weiter in die wohl touristischste Stadt Irans nach Esfahan. Unsere erste Nacht verbringen wir an einer 4-spurigen Straße. Da wir am Abend die Stadt erreichen finden wir auf Anhieb nichts Besseres. Nach einer kurzen Nacht mit Ohropax suchen wir uns morgens um 5:30 Uhr einen geeigneteren Platz. Wir stellen fest, dass dies die beste Zeit ist, um dem chaotischen iranischen Verkehr aus dem Weg zu gehen. Die Straßen sind leer und die Parkplätze in der Innenstadt auch. Direkt an einem Park richten wir uns für die nächsten Tage ein. Hier gibt es endlich mal wieder Internet und andere Touristen. Besonders für Ursel, die sich freut Gleichgesinnte der Kopftuchlast wieder zu sehen. Außerdem tut es gut mal wieder mit Deutschen zu sprechen. Esfahan hat neben seinem berühmten Imam Square, der schönen Se-O-Si Brücke auch einen riesigen quirligen Bazar zu bieten. Die engen Gassen sind in verschiedene Abteilungen untergliedert. Was wir schon oft in Asien gesehen haben. So sind alle Gewürzhändler in einem Bereich, so wie die Schuhverkäufer, die Goldhändler, die Teppichknüpfer usw.  

 

Nach fünf schönen Tagen geht es weiter in die Wüstenstadt Yazd. Dort waren wir bereits 2010 bei unerträglichen Temperaturen um die 50 Grad. Dieses Mal ist es zwar immer noch heiß (30 Grad), was die Einheimischen aber nicht davon abhält schon mal die Winterjacke und die dicken Schuhe anzuziehen. Am Tag unsrer Ankunft in Yazd werden gerade die Feierlichkeiten zu Ehren des Imam Hosseins vorbereitet. Vor der Moschee werden Lämmer geschlachtet und in riesigen Töpfen ein Essen für die Armen zubereitet. Aber auch Touristen dürfen zulangen.

 

In Yazd kümmern wir uns um unseren Silvester, der seit einigen tausenden Kilometern komische Geräusche macht. Mittlerweile haben wir herausgefunden woher das Geräusch kommt – was ja schon mal die halbe Miete ist. Die Dieselleitung hat eine Undichtigkeit und es sind immer wieder Luftbläschen im Diesel. Bereits vor 1000 km haben wir den Filter, eine kleine manuelle Pumpe sowie alle Dichtungen ausgetauscht, aber leider sehen wir noch immer Luftblasen in der Leitung. Schon fast am verzweifeln sucht Janus mehrmals täglich nach der undichten Stelle. Es ist zum verrückt werden und wenn wir das Problem nicht lösen, wird es irgendwann auf den Motor übergehen. Es muss also eine Lösung her.

  

In Yazd parken wir direkt im Zentrum auf einem ruhigen Parkplatz direkt vorm Silk Road Hotel. Hier können wir für umsonst stehen und im Gegenzug, dass wir hier frühstücken, können wir das Internet, die Dusche und das WC benutzen. Hier treffen wir auch zum ersten Mal seit Georgien auf Overlander. Pasquale und Thomas aus Deutschland suchen gerade noch Mitreisende für eine Wüstenfahrt. Gerne würden wir uns mit den beiden zusammen schließen. Das geht allerdings nur mit einem fitten Auto. Mal schauen, ob wir das Problem gelöst bekommen....