8: Oman (1)

17.01.2018

 

Auch wenn der Oman vor allem durch den Erdölabbau in den letzten 40 Jahren deutlich an Wohlstand und Modernität zugelegt hat, kommt er nicht an die Ausmaße wie im Nachbarland den Emiraten heran. Und das ist gut so. Der Oman ist bodenständiger, natürlicher, einfacher. Das gefällt uns. Wir lassen den dicht besiedelten Norden schnell hinter uns. Auf sehr guter Asphaltstraße kommen wir zügig voran. Einen kleinen Zwischenstopp machen wir allerdings an der neuen Sultan Qaboos Moschee bei Sohar. Sie wirkt wie aus 1001 Nacht und wir fahren in der Dämmerung in das riesige Gelände ein. Es sind kaum Besucher da und wir können uns in Ruhe mit den „Verhaltensregeln“ für Nicht-Muslime auseinandersetzen und so stellen wir schnell fest, dass jetzt keine Besuchszeit für uns ist. Schade. Aber in den eigentlichen Gebetsraum dürften wir sowieso nicht. Der Zutritt ist für Non-Muslims untersagt. Wir nutzen die Gunst der Stunde und duschen noch schnell in den super deluxen Toiletten.

 

Da aufgrund der Weihnachtsferien und dem optimalem Wetter gerade Hauptreisezeit für den Oman ist, lassen wir die nördlichen Touristenziele erst einmal links liegen und fahren in den weniger touristischen Süden. Im Februar wollen wir dann wieder in den Norden fahren und die Canyons, Wadis (Flussbett) und die Hauptstadt zu besichtigen. In der Nähe des Dörfchen Fins sind wir auf der Suche nach Wasser. Im Dorfladen fragen wir nach und ein Kunden nimmt uns kurzerhand mit zu sich nach Hause. Er bringt uns die aufgefüllten Wasserkanister und fragt in gutem englisch, ob wir nicht auf eine Tasse Kaffee herein kommen möchten. Irgendwo haben wir gelesen, dass eine zurückgewiesene Einladung zu einem Kaffee unhöflich wäre und deshalb sagen wir sofort zu. Im Haus wohnen noch zwei Geschwister mit ihren Partnern und Kindern. Alle begrüßen uns herzlich und wir werden ins Gästezimmer, das wir bereits aus vielen muslimischen Häusern kennen, weitergeführt. Der Kaffee wird in sehr kleinen Tässchen ausgeschenkt und hat mit einem in Deutschland bekannten Kaffee rein gar nichts gemein. Wie in den Emiraten handelt es sich um eine sehr, sehr dünne Kaffeebrühe, die mit sehr, sehr viel Kardamom gewürzt ist. Zu dem Kaffee werden feine Datteln gereicht. Hat man seine Tasse ausgetrunken und schwenkt sie nicht geschickt mit dem Handgelenk hin und her, bekommt man sofort nach geschenkt. Wir bleiben zwei Stunden bei der Familie, stellen uns gegenseitig Fragen und werden zum Schluss noch mit einem riesigen Fisch, einer Tüte mit Gemüse und einem Karton mit Trinkwasserflaschen beschenkt. Außerdem will die Frau des Hauses Ursel noch eine besondere Freude machen und überreicht ihr eine ihrer schwarzen Abbayas (Ganzkörperkleid) mit ebenso schwarzem Schleier. Was macht da die emanzipierte Frau aus dem Westen, die gerade froh ist die zwei Monate Verhüllung im Iran hinter sich gelassen zu haben? Sie nimmt dankend an, zieht es für ein gemeinsames Foto mit der Schenkerin an und reißt es sobald wir um die Ecke abgebogen sind, vom Leib und donnert es in eine Tüte. Eine Abbaya gehört für Ursel definitiv auf den oberen Platz der „Bitte-nicht-schenken“-Liste. Aber naja, sie haben es nur gut gemeint und wohl Mitleid bei Ursels halbnackten Auftritt in langer Hose und T-Shirt gehabt.

 

Leider haben wir nichts für sie. All unsere mitgebrachten Marmeladengläser von zu Hause sind leider schon alle verschenkt bzw. aufgebraucht.  

Wir fahren weiter in südliche Richtung. Verweilen kurz im malerischen Küstenstädtchen Sur, bevor es weiter in den Ras-Al-Hadd Naturpark geht, der zum Schutz der vom Aussterben bedrohten Meeresschildkröten für die Eiablage entstanden ist. Wir wollen uns keiner organisierten Tour mit zahlreichen Touristen, sowie Genehmigung und allem PiPaPo anschließen, sondern an einem Strand unweit davon entfernt den Jahreswechsel verschlafen und eigenhändig auf Schildkrötensuche gehen.

 

Um diesen Strand zu erreichen sind wir mal wieder froh unseren Silvester zu haben, denn ohne Allrad und Bodenfreiheit wären wir wohl im weichen Sand stecken geblieben. An der ca. 2 km langen Bucht passiert tagsüber nicht viel: die Fischer fahren raus aufs Meer und sind am Abend wieder verschwunden. Beim Abendessen lesen wir noch einen Artikel über die Schildkröten und deren Eiablage. Wir staunen, dass diese urweltlichen Reptilien erst im Alter zwischen 30 und 50 Jahren ihre Geschlechtsreife erhalten und zur Eiablage an den Strand zurückkehren, an dem sie selbst geschlüpft sind. Die Wissenschaft hat bisher noch nicht entschlüsselt, wie sie sich diesen merken können. Viele Schildkröten erreichen aber erst gar nicht das Alter der Geschlechtsreife, da sie in eine Schiffsschraube schwimmen oder in einem Fischernetz landen.

 

Einen Tag vor Vollmond kann Janus nicht schlafen und geht allein auf Erkundungstour. Nach fast zwei Stunden kommt er aufgeregt zurück. Er konnte eine Schildkröte bei der Eiablage beobachten. Wir eilen im Halbdunkel und ohne Taschenlampe los. Die Schildkröte die er beobachtet hatte ist leider nicht mehr da, aber eine weitere Schildkröte beginnt gerade ein paar Meter weiter ein Loch in den Sand zu buddeln. Wir liegen nur wenige Meter von ihr entfernt im kühlen Sand und versuchen so wenig Schatten in dieser fast Vollmondnacht zu machen wie möglich. Die Schildkröten benötigen ihre gesamte Kraft für die Eiablage und sollen auf keinen Fall gestört werden, sonst brechen sie ihre Eiablage ab und gehen zurück ins Meer. Also keine Taschenlampen oder Fotos mit Blitz. Irgendwas passt der Schildkröte nicht und sie lässt bald von dem gebuddelten Loch ab und kommt zu uns rübergerobbt. Wir bleiben mucksmäuschenstill liegen und beobachten wie sie ein weiteres Loch direkt neben uns zu buddeln beginnt. Anscheinend war der Platz nicht der Richtige für die wertvolle Fracht. (mittlerweile wissen wir, dass Schildkröten ein bis zwei Fake-Löcher buddeln, um Nesträuber in die Irre zu führen) Während die Schildkröte ihre Eier ablegt krabbeln irgendwelche Viecher an ihr vorbei. Wir wundern uns noch, was denn Krabben jetzt hier wollen, als wir entdecken, dass es klitzekleine Schildkrötenbabys sind, die sich mühsam ihren Weg Richtung Meer bahnen. Was für ein Naturschauspiel: da die eierablegende Schildkröte und vorne dran die robbenden Babys aus einem anderen Nest. Gut, dass wir zuvor gelesen haben, dass man den Babys auf keinen Fall „helfen“ soll, indem man sie zum Meer trägt. Denn erst der erschwerliche Weg zum Meer trägt dazu bei, dass sie sich ihren Geburtsstrand merken können. Allerdings darf man die kleinen Geschöpfe, wenn sie in die falsche Richtung laufen, in die richtige Richtung - also zum Meer - drehen. Das Meer reflektiert und so wissen die Babys eigentlich wo sie hin sollen. In der Vollmondnacht reflektieren jedoch auch die Boote der Fischer und die Babys versuchen immer wieder Richtung Boote zu laufen. Wir drehen die Kleinen so lange, bis sie im Meer angekommen sind. Währenddessen hat die Schildkrötendame ihr Loch wieder zugebuddelt und robbt zurück ins Meer. Wir sind total begeistert und können lange danach nicht einschlafen.

 

Am nächsten Morgen müssen wir allerdings der Realität ins Auge sehen. Die Fischer schieben ihre Boote mit ihren Pickups ins Meer und fahren dabei auch über die Nester der Schildkröten. Scheiße finden wir das !!!

Wir bleiben noch einen weiteren Tag und fahren dann weiter durch die Wüste Wahiba zum Hafen Shanaa. Dort nehmen wir die Fähre auf die Insel Masirah. Wir haben Glück: das Schnellboot steht gerade im Hafen und hat noch einen Platz frei. Wir müssen nicht ins Ticketoffice 1 km zurück fahren, sondern werden sofort an Bord genommen und erhalten sogar einen geringeren Preis für die Übersetzung mit Silvester.

Die Insel Masirah liegt nur 15 km vom Festland entfernt und nach einer Stunde erreichen wir das einzige Städtchen (so viel Einwohner wie Römerberg – 10.000 ) und decken uns dort mit frischen Lebensmitteln und vor allem Trinkwasser ein. Das tolle in den bisher bereisten muslimischen Ländern ist, dass es bei Moscheen und sonst auch oft in Orten immer Trinkwasserstellen gibt. Dort kann man sich frisch gefiltertes Wasser aus einem Automaten gekühlt oder ungekühlt für umsonst abzapften. Von uns gibt’s dafür einen Daumen hoch!

 

Auf der ca. 70 km langen und 20 km breiten Insel gibt es neben viel Ruhe und unberührter Natur nur noch Unmengen an Muscheln und ein paar Fischerleute. Auf einer Sandpiste, die direkt am Meer verläuft, kann man mit einem Allradfahrzeug die Insel fast ganz umrunden. Wir sind mal wieder froh, um unser Gefährt, das mehr und mehr zu uns gehört. Unser erstes Nachtlager schlagen wir über einem flach abfallenden Riff auf. Die Unterwassersicht ist zum ersten Mal richtig toll und wir erfreuen uns an intakten Korallen und jeder Menge kleiner Tropenfische. Am Abend laufen wir über die Felsen, die durch die fortschreitende Ebbe, freigegeben werden und entdecken ein paar Fischfangkörbe, die an Felsen befestigt sind. Das Wasser zieht sich immer weiter zurück und in einem Korb entdecken wir einen kleinen, ca. 80 cm langen Hai. Da kein Fischermann die Beute abholt und das Wasser bald ganz aus dem Korb verschwunden sein wird, ahnen wir schon, dass der Hai die Nacht nicht überleben wird. Kurzerhand öffnen wir die Klappe und holen den bereits bewegungslosen Hai aus dem Käfig. Er scheint zu geschwächt und will gar nicht von allein los schwimmen. Janus nimmt ihn behutsam und fährt mit ihm vor und zurück durch das Wasser, damit dieses in seine Kiemen eindringen kann. Nach ein paar Bewegungen zuckt der Hai und schwimmt ganz langsam in tieferes Wasser. Wir verschließen die Klappe wieder und zerren noch zwei weitere Körbe, in den Fische bereits halb tot auf dem Käfigboden liegen, in tieferes Wasser.

 

Am nächsten Tag fahren wir weiter. Immer auf der sandigen Piste am Meer entlang. Ab und zu durchqueren wir eine Hüttenansammlung von Fischern, die immer wieder freundlich winken und grüßen.

Am darauffolgenden Tag finden wir dann „unseren“ Strand. Aber bevor wir uns für die nächsten Tage einrichten, sammelt Ursel erst mal Müll. Denn leider haben wir bisher noch keinen Strand gefunden, der nicht zugemüllt ist. Plastikflaschen, Seile, Tüten und Säcke kommen am häufigsten vor. Wir können und wollen uns einfach nicht an das moderne Bild der Zivilisation gewöhnen. In jedem Supermarkt wird man mit Tüten nur so zugemüllt. Alles wird nochmal verpackt und wenn man dann dem Gemüsehändler oder der Frau an der Kasse sagt „no plastic please“ und seinen mitgebrachten Stoffbeutel aufhält, wird man fast immer komisch angeschaut. Manchmal sagen wir noch einen Satz dazu, so was wie „too much plastic in this country – not good“ - und wenn wir nur Einen zum Umdenken animieren, dann hat es sich schon gelohnt. Im ganzen Land findet man – ja sogar mitten in der Pampa – einen Müllcontainer, was ja erst mal löblich ist. Aber wenn die keine Deckel haben oder dieser nicht zugemacht wird, dann ziehen die Vögel und andere Tiere in aller Ruhe die Tüten raus, in der Hoffnung etwas Essbares zu finden. Und die fliegen dann über wunderschöne Dünenlandschaften und unberührte Strände.

 

An „unserem“ Strand kann man auch bei Ebbe wunderbar ins Meer gehen und vor allem schnorcheln. Die Sicht ist fast immer super und wir erfreuen uns an der bunten Vielfalt unter Wasser. Viele Taucher und Schnorchler sagen ja, dass die Unterwasserwelt vielseitiger und beeindruckender ist als die Tierwelt an Land. So sehen wir das auch und beobachten begeistert Stachelrochen, Blaupunktrochen, Doktorfische, Adlerrochen, Barrakudas, Schildkröten, Muränen und und und. An einem Morgen schlürfen wir gerade unseren Kaffee und entdecken auf dem Meer eine Delfinschule von mindestens 20 Tieren. Wahnsinn! So viele hatten wir noch nie auf einmal gesehen.


In der Dunkelheit bekommen wir dann noch ein weiteres Naturschauspiel zu sehen: leuchtendes Plankton. Die Gewässer des Omans sind reich an Plankton, das bei Bewegung beginnt grünlich zu leuchten. Die Wellen sind jedoch nur klein und in einer fast mondlosen Nacht durchwaten wir das Wasser und hinterlassen damit einen leuchtenden Streifen. Einfach bezaubernd ! Nach fünf Tagen verlassen wir unser kleines Paradies und folgen weiter der Sandpiste.

 

Die nächsten Tage verbringen wir mit Muscheln sammeln, spazieren gehen, schnorcheln und backen (Ja Vadder Guido, ich trete doch noch in deine Fußstapfen). Da es im Oman leider kein wirkliches Brot gibt, sehen wir uns gezwungen selbst Hand anzulegen und zaubern fast jeden Tag ein neues (leider nur) Weißbrot, Zimt-Rosinen-Schnecken oder einen Hefezopf.

Janus hatte sich bevor es auf die Insel ging noch mit einer 0815 – Harpune beim örtlichen Fishing-Shop ausgestattet und tatsächlich ist er bald erfolgreich und holt uns neben zahlreichen Fischen, auch zwei Langusten sowie zwei Tintenfische auf den Tisch.

      

Nach 12 erholsamen Tagen sind unsere Vorräte aus dem Bus aufgebraucht und wir verlassen die wunderschöne Insel Masirah. Ein echter Geheimtipp für jeden Naturliebhaber.