Indien 5

Nach fünf langen Wochen in Kalkutta waren wir froh endlich wieder on the road zu sein. Unseren neuen Bus zu genießen und wieder Natur zu sehen. Wir überlegten lange hin & her welche Route wir in den Süden nehmen sollten. Autokarten waren veraltet und Inder konnten uns auch nicht wirklich weiter helfen. So entschieden wir uns für die Landesinneren-Route, auch wenn die Temperaturen dort bereits bei 40 Grad lagen und es sich wohl um eine einspurige Straße handeln sollte. Wir wurden mal wieder von Indien überrascht. Außer ein paar wenigen hundert Kilometern auf der Landstraße fuhren wir auf einer nagelneuen Autobahn. Für die Umgehung der Mautgebühr probierten wir diesmal mehrere Ausreden aus: da wir ja jetzt einen grünen Bus hatten klappte vor allem die „VIP – National Geographics“ Aussage mit unterstützendem vorgehalten Pass. Ab und zu benutzen wir auch unsere alt bewährte „Diplomatic“ Ausrede. Bei ca. 20 Mautstationen wurden wir ohne Nachfragen durchgewunken, ja sogar einmal zusammen geschissen, warum wir nicht in die VIP-Line gefahren sind. Bei einer der vielen Stellen gaben wir vor Botschaftsangestellte zu sein und sie sollten uns doch bitte durchlassen. Doch so einfach war es diesmal nicht. Der Manager kam aus seinem Büro und erklärte uns, dass laut seiner Vorschrift nur der Botschafter persönlich ohne zu zahlen passieren dürfte. Nach 20-minütiger Diskussion tat uns der mittlerweile stark nervöse und zitternde Manager leid und wir bezahlten die 80 Cent...

 

Bevor es für uns nach Goa ging legten wir noch einen Zwischenstopp in Hampi ein. Ein Dörfchen mit alten Tempeln, bizarren Felsformationen und stehender Hitze. Unser erstes Highlight in Hampi war allerdings ein T 4 mit holländischem Kennzeichen, der auf dem Busbahnhof parkte. Wir stellten uns daneben, begutachteten den Bus und endeckten einen „VW-Club of Pakistan“-Aufkleber, ja wohl Verbündete aus der Islamabad Autoschmiede von Moqeem. Als Maud & Martyn dann vom Abendessen zurückkamen bestätigte sich die Verbundenheit zu Pakistan und wir quatschen die halbe Nacht. Seit Nepal unsere ersten Overlander.

 

Zwei Tage später fuhren wir vom windstillen Hampi weiter zum windverwöhnten Strand von Agonda in Goa. In Goa ist es leider so, dass fast alle Strandabschnitte voll bebaut sind und es keinen ruhigen Platz mehr zum wild campieren gibt. Außer in Agonda: am Ende der Bucht kann man unter wiegenden Kokosnusspalmen direkt am Meer stehen. Wohl der schönste Stellplatz in Indien. Als wir ankamen trauten wir unseren Augen nicht, da stand schon wieder ein VW-Bus. Diesmal ein T 3 von Sylvie & Max aus Frankreich, die beide ihre Jobs in Toulouse aufgegeben hatten und nun ohne Zeitplan umherreisen. Am nächsten Tag kamen dann auch noch unsere bis dahin längsten Reisepartner Kerstin & Rudi dazu und das Overlander-Camp war perfekt. Oft stehen an diesem Strand bis zu 20 Fahrzeuge und es wird sich um die Palmenplätze gezankt. Dieses Problem hatten wir nicht. Das Gelände war ursprünglich für ein 5-Sterne Hotel vorgesehen, dass allerdings nie fertig gebaut wurde. Nun bewachen einige Wachmänner das Gelände und verlangen 40Rs am Tag, sozusagen Bakschisch. Wir weigerten uns zu zahlen und nach drei Tagen tauchte der Wachmann einfach nicht mehr auf. Geduscht wurde sich an einem Brunnen 300m weiter im Wäldchen. Mit Eimer und Seil wurde das Duschwasser nach oben befördert und übergekippt. Als Toilette diente einer der zahlreichen Büsche. Kaum hatte man sein Geschäft verrichtet kam auch schon eine der Dorfklosäue an und verspeiste was wir gerade hinter lassen hatten. Wir schwörten uns nie wieder Schweinefleisch in Indien zu essen und konnten die Abneigung der Moslems gegen dieses Fleisch nun besser verstehen. Außer faulenzen, Bücher lesen und Grillabende oragnisieren hatten wir auch noch eine wirkliche Aufgabe zu bewältigen.

 

Wir brauchten dringend Gas. Bereits in Kolkata und in Hyderabad versuchten wir unsere deutsche Gasflasche aufzufüllen. Und trotz eines gedrechselten Adapters von deutsche auf indische Flaschen wurde uns nicht weitergeholfen. Selbst bei einem riesigen Werk von Indian Oil wurden wir nach zwei Stunden Gebettel abgewiesen. Grund: eine ausländische Flasche dürfe nicht auf das Gelände gebracht werden, es bestehe die Gefahr eines Terroranschlags. In Margao versuchten wir erneut unser Glück bei einer bei Overlandern bekannten Adresse. Wieder nichts. Wir wollten gerade wegfahren als wir auf einen netten Mann von HP Gas trafen, der uns in einer nicht ganz konventionellen Art weiterhelfen wollte. Eine indische Gasflasche wird zum Befüllen auf den Kopf gestellt und aufgehängt, mit einem Schlauch an die deutsche Gasflasche angeschlossen und so wandert das flüssige Gas dank Schwerkraft in die niedrigere Flasche. Dabei besteht absolute Explosionsgefahr, aber naja, der Mann sah nicht gerade aus als würde er dies zum ersten Mal tun. Nach 30 Minuten war unser Gasproblem gelöst und wir konnten glücklich weiterkochen. Am gleichen Tag kam auch noch Janus´ Schwester Dominika an, die unsere erste Heimatbesucherin seit unserer Hochzeit in Istanbul war. Neben vielen wichtigen Ersatzteilen für unseren Braunen, brachte sie auch noch selbstgebackenes Brot von Vadder Guido, Salami, sechs verschiedene Sorten Käse, Balsamico-Essig und den neusten Dorftratsch aus Römerberg und Mannheim mit. Ab sofort hausten wir also zu dritt im Bus (Dominika schlief in unserem aufklappbaren Gästezimmer „unterm Dach“) und nutzen jeden cm² aus um es gemütlich zu haben. Unter Beobachtung zahlreicher Inder eröffnete die ehemalige Friseurin dann einen open air Salon und die Overlanderköpfe wurden endlich wieder profesionell geschnitten. Zusammen mit Kerstin & Rudi ging es dann weiter zum wohl schönsten Strand Goas. In Cabo de Rama gab es nichts, nur einen einsamen Strand, den gewohnten indischen Müll und Palmen so weit das Auge reicht. Auf der Klippe schlugen wir unser Nachlager auf, hatten einen schönen Abend trotz vergammelten Grillfleischs und genossen das Robinson-Feeling. Weiter ging es dann auf den Markt von Anjuna. Die Situation musste genutzt werden, dass Dominika nun die halbe Tasche leer hatte und so wurde haufenweise Souvenirs erstanden. Außer dem Markt gab es in Anjuna nichts was uns hielt, deswegen ging es sogleich weiter nach Arambol im nördlichen Goa. Der Strand war weitläufig und kaum besucht. Als wir eines Abends den Sonnenuntergang im Meer genossen sprangen unweit von uns Delfine aus dem Wasser. Das ist Goa!

 

Nach zwei erholsamen Tagen fuhren wir weiter, raus aus Goa, rein nach Maharaschtra. Dort gab es einen weiteren menschenleeren Strand der seinem Namen alle Ehre machte: Paradise Beach. Für die Nacht entschieden wir uns in einem Palmenhain zu campieren. Am nächsten Morgen wurden wir durch seltsame Geräusche geweckt. Wir waren mitten in die Kokosnussernte geraten und um den Bus regnete es massenweise Kokosnüsse. Die älteren Männer kletterten wie kleine Äffchen ohne Probleme mit einem Seil zwischen den Füßen ratz fatz die Palme hoch, schlugen mit ihrer Machete die Kokosnüsse ab und hangelt sich wir nach unten. Natürlich bekamen wir auch einige Kokosnüsse zum trinken ab; in einer jungen Kokosnuss befindet sich bis zu einem Liter erfrischendes Kokosnusswasser. Das wohl paradisischste Getränk überhaupt.

 

Nach zwei wunderschönen Wochen mit Dominika hieß es wieder Koffer packen und vor allem unsere Berge mit Souvenirs verstauen. Im Bus hatte sich in den letzten Monaten einiges angesammelt und wir zitterten, ob die fast 30 kg schwere Tasche und die drei Handgepäckstücke durchgingen. Wieder kein Problem, wir sind ja in Indien!