Pakistan 6

Zurück in Rawalpindi ging es erst mal zum VW-Shop von Moqeem. Nach Begutachtung unseres Busses und Wiedergabe eines Sachstandberichts der letzten fünf Wochen stand fest: unser Bus war gut in Form und es mussten keine Reparaturen mehr am Motor nachgeholt werden. Statt dessen lungerten wir noch eine ganze Zeit bei ihm im Shop rum, quatschten und aßen haufenweise Kebabs. Mittlerweile waren wir bei einigen Kunden gut bekannt und so war es für uns erfreulich als wir von Kashef zu einem 4x4-Jeep-Treffen eingeladen wurden. Am darauffolgenden Sonntag ging es los und wir brausten mit einigen zum Teil verrückten Gefährten zu einem Offroadplatz außerhalb von Islamabad. Wir selbst trauten uns nicht ans Steuer, da wir keine Erfahrung mit Schlammdurchfahrten und 45 Grad steilen Hängen hatten. Dennoch hatten wir auf der Rückbank unseren Spaß und kamen schlamm verspritzt abends wieder auf dem Campingplatz, unserem Base Camp in Islamabad, an.

Nachdem wir ein paar Verschleißteile am Bus ausgetauscht hatten hieß es für uns Abschied nehmen. Nach wochenlanger Gemeinsamkeit hatten wir Freundschaft mit Moqeem geschlossen und waren traurig weiter fahren zu müssen.

 

Unsere Fahrt ging über Lahore, Multan nach DG Khan, wo wir 90 km nach der Stadt über die Grenze nach Belutschistan fahren wollten. Auf der anderen Seite der Grenze wartete bereits unser Freund Saif, den, wie der aufmerksame Leser bereits weiß, im letzten Jahr in Quetta kennen gelernt hatten und nun in seinem Dorf wieder sehen wollten. Für die Strecke Multan nach Quetta war allerdings eine gesonderte Genehmigung vom Geheimdienst in Islamabad von Nöten. Bei unserem Aufenthalt in der Hauptstadt hatten wir bereits versucht an dieses wichtige Papier zu kommen, allerdings wurde unser Antrag abgelehnt. Eine Fahrt durch dieses gefährliche Gebiet, in dem vor wenigen Wochen zwei Schweizer entführt worden waren, wurde nicht genehmigt. Dennoch schlichen wir uns mit einigen geschickten Ausreden bis zur Grenze vor. Am dortigen Schlagbaum war dann Schluss. In den nächsten Stunden versuchten wir in DG Khan noch nachträglich an die Genehmigung zu kommen, allerdings wollte uns die Polizei nicht zum höchsten Polizeibeamten eskortieren, da sie Angst hatten ihre Stellung zu verlieren, wenn der Polizeichef mitbekäme, dass wir bereits bis hierher ohne Papiere gekommen waren. Stundenlang diskutierten wir mit den Beamten hin und her, zanken rum und wollten schon ohne Eskorte zum Chef losfahren. Nun kannten die Polizisten keinen Spaß mehr, stellten sich vor unserem Bus und drohten mit Waffen. Saif versuchte in der Zwischenzeit auf der anderen Seite alle Hebel in Bewegung zu setzen, allerdings hatte er keine einflussreichen Leute auf der Punjabseite. Es half nichts. Wir mussten umkehren und in Richtung Quetta fahren. Nun ließ uns die Polizei keine Sekunde mehr aus den Augen.    

 

Nach drei Tagen Fahrt durch halb Pakistan kamen wir in Quetta an. Saif hier in der Stadt, wie bereits im letzten Jahr, im Häuptlingshaus zu treffen war in unserer einjährigen Abwesenheit unmöglich geworden. Wegen jahrelanger Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Clans hatte der Häuptling Krieg mit Saif und seinen Leuten begonnen, bei dem bereits einge Leute getötet wurden. Für Saif war es daher nicht ungefährlich nach Quetta zu fahren, weil dies das Gebiet des Häuptlings war, und ein Besuch in der Stadt für in tödlich enden könnte. So war ungewiss, ob und wo wir ihn treffen konnten. Außerdem hatten wir noch die Polizeieskorte am Hals, die uns in ein Hotel bringen wollte. In Quetta angekommen trafen wir uns mit Rehaan, einem Freund von Saif, der uns half mit einigen wenigen klaren Worten die Polizei abzuschütteln. Einige Stunden verbrachten wir in Rehaans Haus, wurden trotz Ramadans köstlich versorgt und dazu noch reichlich beschenkt (beim Anblick von Ursels einfachen Gummilatschen brach Mitleid bei den Damen des Hauses aus und sofort wurden feine Schuhe aus Dubai hergezaubert, die ab sofort getragen werden mussten). Am Abend dann der Anruf: Saif war in Quetta in einem Haus versteckt und wir sollten dort hin kommen. Kreuz und quer ging es durch die Stadt. Wir vermuteten eine einfache Lehmbehausung als Versteck und waren mehr als überrascht, als wir in einem neuen Gebäude eines Freundes ankamen, der dieses Haus nur aus einem Grund gebaut hatte: Partys. Super ausgestattet mit Swimmingpool, Partyraum mit Hifi-Anlage, Küche, Parkplätze und das wichtigste: eine dicke Mauer um das Gelände. Die Wiedersehensfreude war riesig, besonders unter diesen Umständen. Die nächsten Tage kamen immer wieder Verbündete von Saif, die ihn und uns sehen wollten, uns mit Essen versorgten und täglich eine neue Party feierten, bei dem unser geschmuggelter Alkohol aus Indien endlich vernichtet werden konnte. Saif konnte das Haus natürlich nicht verlassen und auch wir gingen nur einmal mit Farooq in die Stadt um shoppen zu gehen. Während unserer Tage im Versteck fragten wir uns öfters warum wir vor wenigen Wochen den beschwerlichen Weg zum Schmugglerbasar in Peshawar unternommen hatten. Hier im Versteck gab es alles, nur ohne Taliban und ohne Polizei. So machten wir die Bekanntschaft mit Waffen- und Drogenhändlern und hatten überaus interessante Gespräche.

 

Nach einigen Tagen hatten wir uns entschlossen mit Saif von der Quettaseite aus in sein Dorf zu fahren. Natürlich bräuchten wir auch hier eine Genehmigung, allerdings versicherte uns Saif, dass wenn wir mit ihrem Auto mitfahren und in der pakistanischen Kleidung, dem Shalwar Kameez, gekleidet sein würden, nicht aufzufliegen drohten. Janus hatte in der Zwischenzeit einen stattlichen Vollbart und konnte als afghanischer Handwerker durchgehen und Ursel musste sich so verhüllen, dass nur ihre Augen unter der Verkleidung hervorspitzelten. Ein Auto, in dem eine Frau sitzt wird nie kontrolliert und so sollte unser Plan aufgehen.

 

Die Fahrt ging also los: mit dabei Dhero und Abdullah, zwei Freunde von Saif, die vor allem dabei waren, um uns drei zu beschützen. Im Gepäck hatten wir neben zahlreichen Waffen noch zwei Kilo Haschisch, die wir für einen Freund mitnehmen sollten. Dass wir jemals zu Drogenschmugglern werden, hätten wir auch nie gedacht. Die sieben Stunden Fahrt verlief problemlos und an den sechs Checkpoints nahm niemand Notiz von uns. Unser erstes Ziel war das Dorf von Abdullah, in dem Saif momentan wohnte, da sein zu Hause zu unsicher geworden war. Bei unserer Ankunft herrschte große Aufregung: seit Tagen freuten sich die Dorfbewohner uns kennen zu lernen und liefen aus allen Ecken zusammen um uns die Hände zu reichen und uns anzuschauen. Zur Feier des Tages schlachteten sie ein Lamm, das zu einem köstlichen Abendessen zubereitet wurde. Am nächsten Tag wurde Ursel dann in die einzelnen Frauenbereiche der Häuser geführt, damit diese sie auch bestaunen konnten. Sofort wurde ein traditionelles Khetrani-Kleid gebracht und Ursel reingesteckt. Und auch hier, trotz Ramadans wurden wir ständig gut gemästet. Tagsüber unternahmen wir Ausflüge in die Umgebung: unter anderem zu einem atemberaubenden Canyon mit Süßwasserpools, in denen wir baden konnten.

Eines Nachts schreckten wir aus dem Schlaf: wir hörten Maschinengewehre die abgefeuert wurden. Wir erwarteten schon, dass gleich jemand in unser Gästezimmer gestürmt komme würde, aber es blieb danach ruhig. Man erklärte uns am nächsten Morgen, dass das Militär von einer Bergseite auf die andere feuert, damit Rebellen in der Nacht nicht über den Kamm kommen. Ja dann ist ja alles gut.

 

Drei Tage nach unser Ankunft fuhren wir in der Nacht in Saifs Dorf, um sein Haus und seine Familie kennen zu lernen. Dies war allerdings nicht ganz ungefährlich, denn wir mussten am Dorf des Häuptlings vorbei. Deswegen fuhren wir um unbemerkt zu bleiben bei Nacht. Dhero und Abdullah richteten bereits ihre Kalashnikovs auf das Häuptlingsdorf, während wir im Eiltempo daran vorbei rauschten. Auch in Saifs Dorf, das nicht so groß wie das von Abdullah war, freuten sich die Leute und es wurde mal wieder ein Lamm geschlachtet. Ursel hatte noch die Gelegenheit in den Frauenteil zu gehen und Mutter, Frau sowie Schwestern anzuschauen. Im Schutze der Dunkelheit ging es nach dem Abendessen wieder zurück nach Bibertak, Abdullahs Dorf. Alle waren erleichtert, dass wir unversehrt zurückgekommen waren und am nächsten Tag wurde wieder ein Lamm geopfert.

Nach insgesamt sechs Tagen im Sperrgebiet ging es für uns wieder undercover zurück nach Quetta. Dort angekommen ging es in ein anderes Versteck, ein Haus von Rehaan, wo wir auch diesmal köstlich versorgt wurden. Am zweiten Abend, wir waren gerade wieder am feiern, erhielt Abdullah einen Anruf: sein Cousin, den wir zwei Tage zuvor noch kennen gelernt hatten, wurde erschossen. Nach dieser Nachricht wurden uns erst bewusst wie gefährlich es war in ein solches Gebiet zu reisen. Saif, Dhero und Abdullah mussten sofort zusammenpacken und aufbrechen. Wir waren tieftraurig, dass unser Zusammensein so enden musste. Es war kein gewöhnlicher Abschied, wie sonst für uns von Freunden in Asien. Diesmal war es besonders traurig und bei uns blieb kein Augen trocken, da wir nicht wussten, ob sie die nächsten Monate überleben würden. Gerne hätten wir sie alle mit nach Deutschland genommen, aber sie lehnten dies ab, denn sie mussten hier bleiben und ihre Familie und ihr Land beschützen.

Am nächsten Tag hielten wir es allein im Versteck nicht mehr aus und verließen Quetta in Richtung Grenze. In Dalbandin deckten wir uns nochmal mit Whiskeyflaschen vom Schwarzmarkt ein, ein tolles Mitbringsel für unsere Freunde im alkoholfreien Iran. Nach einer Nacht am Zollhof in Taftan, bekamen wir durch ein gratis Abendessen und eine Dusche zum letzten Mal die unglaublich pakistanische Gastfreundschaft zu spüren.

Am nächsten Morgen hieß es Abschied von Pakistan nehmen. Kein Land hat auf der Reise hatte so einen intensiven Eindruck hinterlassen. Kein Land war so vollgepackt mit Abenteuer, gastfreundlichen Menschen und Andersartigkeiten wie dieses. Wir waren zum ersten Mal richtig traurig ausreisen zu müssen. Nie werden wir vergessen was all diese Menschen uns geholfen und gezeigt haben. Eins ist klar: wir kommen wieder! Pakistan zindabad!  

 

Kleine Pakistan Statistik 2

Reisetage: 79 Tage (davon 41 bezahlte Übernachtungsplätze)

Gefahrene Kilometer:  5775 km

Ausgaben:  10,50 € pro Person & Tag

Unfälle: ein Fahrrad fährt uns in die Seite. Ergebnis: Plastikecke der Stoßstange gebrochen;

Krankheiten: die üblichen Durchfallerkrankungen (bei beiden)

Busprobleme: Bremsscheiben und Bremsbacken mehr als verschließen – ausgetauscht; Reifen abgefahren – erneuert; Kühlrohre angerostet – ausgetauscht;

Motor hatte keine Kompression mehr, daher Motorblock aufgebohrt, Hülsen eingepresst, Kolbenringe erneuert, Lagerschalen und sonstige Dichtungen und Simerringe erneuert; oberes Führungslager der Schiebetür verloren – provisorisch mit einem Stück altem Reifen repariert;

Highlights: entspanntes Shandur Polo-Festival, einzigartiges Kalash-Valley, nie vergessene VW-Werkstatt in Pindi, im wilden Stammesgebiet der Khetran